Gut, wir haben gesehen, dass er wirklich da war, im Fernsehen oder an Verkehrstaus, obwohl die ja auch andere Ursachen gehabt haben können, wir haben gehört, er hätte etwas zur Abtreibung gesagt, die Fristenlösung sei keine Lösung und kein Recht, immerhin eines der bestgehüteten Tabus unserer Zeit, sogar Aufzeichnungen dazu sind untersagt, in das im Beamtenstaat Österreich, keine Statistiken, nur Schätzungen, sogar Ärzte fürchten um ihre Stellung, wenn sie sich dazu äußern öffentlich würden, ein öffentliches Tabu sozusagen, und die Kirche rüttelt daran und bekommt dafür Schläge, nun sage einer, die Kirche hätte sich nicht gewandelt, und gerade der Papst, höchster Würdenträger, sticht in dieses Wespennest, um das wir alle große Bögen machen, auch über die Protestanten hat er schon einmal etwas gesagt, in der selben Rede, in der es auch um den Islam ging, das hat die Öffentlichkeit alles registriert, sie hat sich augenblicklich echauffiert und im selben Moment ihrer Entrüstung gebrüstet, sich zurückgelehnt und den Kopf geschüttelt weltweit, und dann Steine geworfen und Kirchen angezündet und einige Geistliche ermordet, was sie ja seit Jahrhunderten tut, aber das weiß die Öffentlichkeit nicht, denn die Öffentlichkeit hat kein Gedächtnis, sie entwickelt sich auch nicht, es sind Rituale, gleichbleibende unwillkürliche Gesten, Reflexe, könnte man sagen, das Schnauben und Zähnefletschen verläuft in den Nervenbahnen der Welt, die sofort gereizt sind, wenn einer von Wahrheit spricht so wie meine Katze, wenn man ihr das Futter wegnimmt, denn das kann nicht stehenbleiben, so groß darf man den Menschen nicht machen, dass er sogar wahrheitsfähig sei, nein, der Mensch ist nur als Reflex zulässig, solange er in die Einkaufszentren rennt und dadurch die Wirtschaft belebt und Arbeitsplätze schafft, man sagt ihm das durch die Blume, und er reagiert, er rennt, man kann die Uhr stellen nach ihm, und Reflexe fragen nicht, niemand will wissen, was er da zusammenkauft, woher das kommt und wer das macht, und was dann daraus wird,/
und so fällt auch niemandem auf, dass uns die Menschen ausgehen, zwar wettert man gegen den Import von Menschen, damit sie nicht ganz ausgehen, aber Importe sind schlecht für die Bilanz, also ohne Menschen, und da braucht auch der Papst nicht dreinreden, sonst drehen wir ihn durch die Maschine, damit er so weich wird wie die Sonntagsreden vom christlichen Sonntag oder den christlichen Wurzeln Europas, ein Salbadern, das schon zu viele im Mund gehabt haben, oder den Schutz des Lebens oder die Heiligkeit der Schöpfung, das haben wir schon herabgestuft zu bunten Vorgärten und naturbelassenen Flußufern, allenfalls einmal eine Bergwanderung für die Naturverbundenheit, es soll halt dem Verkehr und der Entwicklung nicht im Weg sein, wer wollte die Entwicklung behindern, jetzt, wo wir schon so weit sind mit der Abschaffung des Menschen,/
und dann kommt der Papst, und wir hören, dass nur drei Gegendemonstrationen angemeldet sind, nur drei bisher, sagt der Nachrichtensprecher, nur drei angemeldet, als wäre das zuwenig, vielleicht sollten wir uns schuldig fühlen und zur Tat schreiten, oder als wären die übrigen Gegendemonstrationen illegal, weil nicht angemeldet bisher, was aber weniger schlimm wäre, denn es ist eine tolerante liberale Öffentlichkeit,/
und dann sehen wir in der ersten Zeile, wer aller auch dort war in Mariazell, etwa der bekennende agnostische Bundespräsident oder die islamischen Jugendlichen, und allen hat es gefallen, trotz Regen, Show oder Seelenmassage, besser als letztes Mal, gut, man kann auch gegen diesen Prunk sein, sagen meine Gäste, wozu soviel Spektakel um den alten Mann, während andererseits das Spektakel im neuen Fußballstadion am Vortag hierzulande beinahe mehr Gehör fand, vom Spiel selbst wollen wir schweigen, wenn nur wenigstens das Stadion voll war,/
und abends diskutieren dann die würdigen Herrn und Damen darüber, was das alles gebracht hat, welche nachhaltigen Wirkungen zu erwarten sind, und so sind bestimmt wichtige Impulse ausgegangen von Mariazell, wofür uns die Pastoralämter ja auch ein Jahr lang mit Papieren und Anregungen versorgt haben, aber es wird wieder keinen Fortschritt gegeben haben in den wirklich wichtigen Fragen der heutigen Kirche, die die Menschen bewegen, und das sind der Zölibat und die Frau in der Kirche, versichert uns die Herrn und Damen, denn an diesen Fragen kranke die katholische Kirche, sagt man uns seit 20 Jahren, viele haben das unterschrieben, aber die Kirche ist ja leider noch keine Demokratie, wie auch der menschliche Leib, dessen Gesundheit und Wohlergehen nicht mehrheitlich festgelegt wird,/
und so ist zwar das Krankmachen gelungen in diesen Jahrzehnten, diese beste der Wiener Eigenarten, die ich hier in der Provinz beinahe vermisse, hier wächst alles wie Kraut und Rüben, unreflektiert und aufs Geradewohl, da hält man sich nicht mit ideologischen Grabenkämpfen auf, gut ist, was uns nützt, uns, die es uns richten können, das ist einfach und natürlich und ideologiefrei und reflexionsfrei, während in Wien alles argwöhnisch beobachtet wird und dann, im kritischen Moment, abgeschossen, das ist innerhalb der Kirche so und gegenüber der Kirche, noch und noch habe ich das erfahren in meiner Ausbildungsstätte und in den Ausbildungspfarren, Gott hab sie selig, aber auch in der Politik, in der Kunst, oder etwa an der Universität, was wurde ich da gelobt für meine Eigenständigkeit, solange ich nur vor mich hin arbeitete, aber als referierender Fachmann, das wäre eine Konkurrenz, und so streicht man mich von der Liste, die Angst um die eigene Position scheut keine Peinlichkeit,/
und so befinden wir uns am Abend der Tage mit dem Papst wieder in den Zölibatsritualen, aus denen, wie uns würdige und besorgte Damen und Herrn versichern, das kirchliche Leben besteht und die zeitgemäße Hoffnung der Kirche, und so werde ich mir wieder bewußt, dass keine der Pfarren, in denen ich bisher gearbeitet habe, genügend zeitgemäß war, denn da ging es immer um Fragen wie der nach Gott oder, wie man Menschen heranführt an ein kirchliches Leben, oder wie man an Gott glauben kann, die auch der Papst stellt, oder um Fragen des Gebets oder des Zusammenlebens zwischen Eltern und Kindern, Männern und Frauen, und wir Priester, die an diesen Fragen teilhaben, werden von diesen abendlichen Herrn und Damen für inkompetent erklärt, weil die Teilhabe an der Entwicklung der Schulkinder, der Kommunionkinder und Firmkandidaten nicht zählt, oder das Mitleben mit jungen oder älteren Ehepaaren, sondern anerkannt wird nur, wer selbst von der Scheidung bedroht ist, aber alle diese Abwertungen wiederholen sich ja seit Jahrzehnten, die Teilnehmer an den Analysen bleiben, man braucht nur den Namen zu hören und kennt den Diskussionsverlauf, oder überhaupt nur die Anfangsbuchstaben, oder eigentlich genügt schon die Sendezeit, um 18.00 Uhr sprechen, und 22.00 Uhr diskutieren, es ist erstaunlich, wie fortschrittlich und liberal die Herrn und Damen Kritiker sind, von denen ich manche seit Jahrzehnten kenne, graue Mäuse und völlig unscheinbar und bieder, die nichts davon ahnen, dass Nietzsche den Sklavenaufstand der Moral angekündigt hat in der Herrschaft der Unscheinbaren, denen die Kirche Raum und Boden gegeben hat, zu Wort zu kommen, oder davon, wie Kierkegaard über die Pfaffen schimpft, die mit selbstherrlichen und populistischen Reden das Christentum abschaffen, sondern sich im Gegenteil ehrliche Sorgen machen um die Kirche unserer Tage, und ich gehe wieder in mich und hinterfrage meine Unzeitgemäßheit, weil ich keine großén Zölibatsprobleme habe, sondern anstelle von Sorgen um Frau und Kind Sorgen habe um das Glaubenswachstum meiner Gemeinde, aber die würdigen Herrn und Damen sind geduldig, sie werdens schon noch einige Male wiederholen, bis mir endlich der Knopf aufgeht und ich den Fehler bemerke, an dem die ganze Kirche leidet weltweit, und sehen Sie, auf diese Weise ist der Papst verschwunden, dessen Unfehlbarkeit genau reguliert ist und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen beansprucht wird, zwei Mal ist das eingetreten in der Geschichte, während sich die Herrn und Damen allabendlich unfehlbar im Dialog befinden und die Wahrheit verkünden, der nicht widersprochen wird, und zwar aus Sorge, während sie recht gut leben im Pelz der Kirche, gut ernährt von ihren Säften, und dafür da und dort ein Jucken verursachen, so daß wir uns kratzen werden am Abend dieses Tages, an dem Tausende von uns gepredigt haben zu Tausenden über die Entschiedenheit der Nachfolge Jesu, der nicht Massen sucht, sondern Glauben und Vertrauen, und solche lieber wegschickt, die ihr Kreuz nicht tragen können, anstatt sie alle zu locken und zu ködern mit verbilligten Eintrittskarten, die Sorge Jesu scheint geradezu den Überredeten zu gelten, und nicht den Überzeugten, denn was wäre ein Fundament ohne Turm, während wir den Leuten die Baugründe nachwerfen, irgendetwas wird dort schon entstehen, und in diesem Rübenacker wohne ich und fahre zickzack zwischen meinen Pfarren,/
wie Ikonen aufgerichtet, gut sichtbar aufgestellt im Abendprogramm und beleuchtet, diese Zunftmeister der modernen liberal-kritischen Kirche, und haben in den Jahrzehnten ihrer Herrschaft eine Zunft hinter sich gesammelt, die mit Inbrunst ihre Parolen wiederholt und unmerklich eine Umwertung vollbracht hat, die Nietzsche noch nicht gekannt hat, nämlich was Kritik ist, und was als kritisch gilt, und während die Theaterkritiker noch immer im Dialog sind, dessen Ergebnis von Jahr zu Jahr das gleiche ist und leider noch immer den Dialog vermissen, kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es ein anonym verfaßtes Stück ist, dessen Darsteller sie eben sind, während der Kritiker still zuhause angelangt ist mit einem stillen Lächeln, das bedeutend mehr zu sagen vermag als viele Worte
weichensteller - 11. Sep, 22:34
Schatzi bist du da
1. Szene:
Im Park, auf einer Bank. Kamera blickt auf den Rücken des Paares, im Hintergrund Springbrunnen, Plätschern hörbar in den Gesprächspausen. Sommerliches Wetter, hell, schattig.
SIE: Kannst du mir das Differenzieren erklären?
ER: Klar, das ist ganz leicht. Du hast a b c gegeben, dann differenzierst du die drei durch zwei, rechnest aus und schreibst die Formel wie im Mathebuch.
SIE: Das versteh ich nicht.
ER: Aber ja, keine Kunst.
...
SIE: Warum warst du gestern so unfreundlich, als ich dir meine Freundin vorgestellt habe?
ER: Ich wollte mit dir allein sein.
SIE: So wie jetzt?
ER: Genau.
SIE: Und?
ER: (legt den Arm um sie) Ich mag ja dich, Schatzi, und nicht deine Freundin.
SIE: Warum magst du mich denn?
ER: --- Das kann man nicht so sagen.
SIE: Schade.
ER: Was redest du denn.
...
SIE: Was hältst du davon, sich selber umzubringen?
ER: Wie kommst du auf das?
SIE: Kennst du nicht den Steppenwolf?
ER: Ja, Born to be wild!
SIE: Nein, ich mein das Buch!
ER: Nein, Bücher kenn ich nicht.
SIE: Da ist der Harry, ein besonderer Typ. Die anderen langweilen ihn, er durchschaut alles, wird überdrüssig. Na da kann man sich doch nur umbringen, oder?
ER: Blödsinn.
SIE: So. Blödsinn. Aber in der Schule haben wir lang darüber geredet. Das hat echt alle beeindruckt.
ER: Ja ihr seids solche Diskutierer, die alles zerreden.
SIE: Ja, wahrscheinlich.
ER: Weißt du was, entspann dich doch ein bisserl.
SIE: Ja, gut. (lehnt sich an ihn)
2. Szene:
ROMULUS und REMUS in einer Bibliothek. Sie gehen auf und ab, nehmen dann und wann ein Buch aus dem Regal, blättern darin, suchen nach etwas.
Romulus: Hör mal, was ich gefunden habe: Der Napoleon hat die Eiernockerl nicht vertragen, die´s ihm in Deutschwagram serviert haben, darum hat er die Schlacht am nächsten Tag verloren.
Remus: Echt? Wast net sagst.
Romulus: Wir decken alle Hintergründe auf.
Remus: Nur die eigenen net.
Romulus: Ja, des is wahr. Müss ma halt länger suchen.
Remus: Aber auf die Art - ich weiß net.
Romulus: Ja stimmt.
Remus: Wir bräuchten einen Plan.
Romulus: Ja.
Remus: Ja wenn wir die Namen hätten.
Romulus: Ja haben die nicht so wie wir geheißen?
Remus: Häufig wird der Erstgeborene nach dem Vater benannt.
Romulus: Also schau im Verzeichnis nach REMUS.
Remus: (öffnet einige Bücher) Ich find aber immer nur mich selber.
Romulus: Dann schau nach ROMULUS!
Remus: Romulus, Romulus, Romulus... Da! Expresszug Rom - Wien 2x täglich - nein, das ist auch nix.
...
Romulus: Bruder, sag mir meine Herkunft. Frag hinter unser Gedächtnis zurück.
Remus: Ich glaub, es gibt nichts dahinter. Mit uns fängts an.
Romulus: Das kann nicht sein. Alles hat einen Ursprung.
Remus: Kannst du das beweisen?
Romulus: Alles ist ein Beweis dafür! Schau, der Stein kommt vom Felsen, der Apfel vom Baum, das Lamm vom Schaf...
Remus: Und das Schnitzel vom Wirt.
Romulus: Spötter!
Remus: Das ist zu einfach. Du fragst nicht weit genug. Woher kommt denn der Felsen? Und woher überhaupt Schafe so wie du?
Romulus: Ja, wie wir, das ist die Frage.
3. Szene:
Dunkler, dichter Wald. Knacksen, Schritte, JACK und JOE erscheinen, mit Rucksack und Pfadfinderausrüstung, von Anstrengung gezeichnet, Gewand zerfetzt, am Rucksack Bärenkeule o.ä.
Jack: Wie wärs mit einer Pause, wir gehen schon zehn Stunden ununterbrochen.
Joe: Schwächling! Na gut. Gibts da Wasser?
Jack: Ich hör was glucksen.
Joe: Das ist mein Magen.
Jack: Setzen wir uns auf diese bemoosten Steine. Das ist ein idealer Rastplatz, windgeschützt, schattig, lauschig.
Joe: Du hast recht. Schau, hier war schon wer. (hebt Konservendose vom Boden auf)
Jack: Das gibts doch nicht! Ist die echt?
Joe: Nein, aus Plastik.
Jack: Jetzt rennen wir schon tagelang durch unberührten Urwald, kein Weg, keine Menschenseele, und dann das. ...
Vielleicht ist das aus einem Flugzeug gefallen.
Joe: Oder von einem Satelliten.
Jack: Gibt es denn nirgends auf der Welt einen Ort, wo man die Menschen los wird?
Joe: Doch, den Schlaf.
Jack: Nein, auch da träum ich noch.
Joe: Von wem?
Jack: Von dir nicht.
(machen sich was zum Essen)
Joe: Aber im großen und ganzen ist doch der Wald hier schon sich selbst überlassen, gell?
Jack: Bis halt die Bäume groß genug sind für die Bulldozzer von der Holzindustrie.
Joe: Aber bis dahin?!
Jack: Zwanzig Jahre.
Joe: Na gut, immerhin, zwanzig Jahre. Frühling Sommer Herbst und Winter mal zwanzig, Ruhe vor dem Menschen für Grizzlys, Elche und Stinktiere.
Jack: Und was machen die so lang?
Joe: Schlafen, Fressen, Lieben. Was sonst?
Jack: So wie wir. Nur quatschen tun sie nicht.
(essen)
Jack: Und schmatzen.
Joe: Da lebt alles so zusammen, weißt du, so friedlich aufeinander eingestellt seit Jahrmillionen.
Der Friede ist viel älter als die Menschen.
Jack: Wie ist das zwischen Grizzlys und den süßen Elchbabys?
Joe: Die Natur selber ist der Friede. Du mußt größer denken. In Ewigkeiten. Dann kommst du ohne Menschen aus.
Jack: Kann ja sein. Aber vorläufig laß ich mirs schmecken.
4. Szene:
Sternwarte, Professor hinter Fernrohr. Man sieht ihn von hinten oder von der Seite. Raum ansonsten leer.
Professor: Ich bin so aufgeregt! Stern XY 789, von uns 56 Lichtjahre entfernt - also ganz nah! - hat Planeten! Hat noch niemand bemerkt! Ich bin der Entdecker! Ich werde den Planeten ATLANTIS nennen. Genauso unerforschtes Land. Gibts mehrere Planeten? Haben sie Monde? Wie alt ist das System? Hat der Planet eine feste Oberfläche? Eine Atmosphäre?
Jahrelang hab ich gesucht. Beobachtet, berechnet, analysiert. Ich hab mich schon ans Warten gewöhnt. Und jetzt überstürzt sich alles. Seit ich das regelmäßige Blinken bemerkt habe, dann die Bahnabweichungen des XY 789 berechnet, die Spekralanalyse ausgewertet habe, sind erst ein paar Tage vergangen. Aber die Ergebnisse sind sehr deutlich. Lassen sich nicht anders erklären als durch Planeten, von denen zumindest einer in einer Entfernung ungefähr wie die Erde zirkuliert. Umlaufdauer 409 Tage. Dazu die Gammastrahlung aus diesem System. Gibt es dort besondere Energiequellen? Ihr Rhythmus entspricht gerade der Umlaufdauer. In dieser Gegend unserer Galaxie gibt es keine Supernoven oder andere so starke Energiequellen. Natürliche Kräfte dieser Art sind unbekannt.
Also ich weiß nicht, was ich davon halten soll. ---
Captain Kirk wäre mit Sol 5 hingefahren und hätte sich runtergebeamt. Und was mach ich?
Ich werd die Sache veröffentlichen, mich mit den Kollegen herumstreiten über die genauen Daten, alle werden mich für naiv halten, und ich werde nicht weiterkommen. Sie werden mir wieder vorwerfen, daß ich kurzsichtig bin und manchmal epileptische Anfälle hab. Dabei ist der letzte schon vier Monate her. Und die großen Propheten waren doch auch Epileptiker.
Was wirklich los ist, interessiert die gar nicht. Nur die eigene Karriere. Muß so einer wie ich kommen, um die richtigen Fragen zu stellen.
Die Frage lautet:
IST DA WER?
Die alte Frage. Alle haben sie gestellt, als sie zu studieren begannen. Und dann später vergessen und begraben im Professionalismus.
IST DA WER UND TEILT ER SICH MIT?
Sind das Signale, die ich da empfange? Enthalten sie eine Botschaft? Ich brüte Tag und Nacht darüber.
Und wie kommt es, daß diese Signale erst jetzt bei uns eintreffen. Nie früher. Dabei wird schon seit Jahrzehnten gemessen.
EIN NOTSIGNAL?
Und:
WISSEN DIE VON UNS?
---
Am Ende sind WIR die beobachteten ....
5. Szene
Vater und Sohn am steinigen Ufer eines Baches. Der Vater sitzt auf einem großen Stein und liest Zeitung, der Bub spielt am Ufer mit Steinen oder mit Papierschiffchen.
Sohn: Papa, wo schwimmt das Schifferl hin?
Vater: Den Fluß hinunter.
Sohn: Und dann?
Vater: Immer weiter.
Sohn: Wie weit?
Vater: Bis zum Meer.
---
Sohn: Papa?
Vater: Ja?
Sohn: Papa, bitte zeichne mir das auf. Den ganzen Fluß mit allen Kurven bis zum Meer.
Vater (legt nach einigem Zögern die Zeitung weg): Schau, da ist die Quelle, da der Bach, da sind wir, da gehts weiter, und da ist das Meer.
---
Sohn: Kann man da hinfahren?
Vater (hinter der Zeitung) Ein anderes Mal.
---
Sohn: Papa? Und wo kommt das ganze Wasser her?
Vater: Vom Himmel.
Sohn: Aber da ist gar nix.
Vater: Später.
Sohn: Heute noch?
Vater: Vielleicht.
---
Sohn: Papa? Von wo kommen dann die Menschen? Kommen die auch vom Himmel?
Vater: Naja. Indirekt.
Sohn: Was heißt das?
Vater: Ganz am Anfang sind sie vom Himmel gekommen.
Sohn: Und jetzt nicht mehr?
Vater: Kaum.
Sohn: Schade.
---
Sohn: Wie schauts eigentlich aus im Himmel?
Vater: Das weiß niemand.
Sohn: Warum nicht? Wenn doch die Menschen von dort kommen? Und das Wasser?
Vater: Dann müßtest ja du das selber wissen.
Sohn: Aber ich habs vergessen.
Vater: Ich auch.
---
Vater:(faltet die Zeitung zusammen und legt sie weg) Sohn?
Sohn: Ja?
Vater: Du, Sohn, WOHER KOMMEN EIGENTLICH DEINE FRAGEN?
Sohn: Vom Himmel. Was sonst?
6. Szene:
Kahles leeres Zimmer, verdunkelte Fenster. In der Mitte ein Stuhl, darauf eine Frau.
Frau: Ein paar Wochen wirds noch dauern, hat der Arzt gesagt. Ist ja schon egal, wie lang. Die paar Tage, und dann ewig.
Aber ewig was. Ewig tot, sagt ein Witzbold. Das ist nichts. Das totale NICHTS.
Oder ewig ETWAS. Aber WAS etwas.
---
Was hab ich denn in der Hand. Für NICHTS oder ETWAS.
Als ich von Zuhause weggegangen bin, wars nicht für NICHTS, da war ETWAS. Mein Mann, meine spätere Familie, meine Zukunft, mein Leben. Unseres. Bald nur mehr ihres.
Als meine Mutter gestorben ist, war da NICHTS? Nein, da war ETWAS. Der Vater, die Familie, hauptsächlich die anderen.
Und die Schwangerschaften und Geburten, da war natürlich ganz besonders ETWAS - sie kriegt etwas KLEINES, haben sie bei uns immer gesagt.
---
Nein, so einfach ist es aber nicht. Es war doch auch immer NICHTS dabei. NICHTS wissen über das Kommende. Es war immer eine Blindheit. Ins Dunkle, Unbekannte hinein. Da ist wurscht, wie lang du den Mann schon kennst, den du heiratest, wer er IST, weißt du doch nicht. Schon gar nicht, wer er SEIN WIRD.
Warum tut man das trotzdem? Ehrlich gestanden gibt ja niemand zu, daß er nichts weiß und nichts in der Hand hat. Alle bilden sich ein, das mach ma schon. Das geht schon irgendwie. Genauso bei den Kindern. Was weißt du denn schon, was für ein Balg da in deinem Bauch heranwächst. Und in deinem Haus. Und was dann auch wirklich alles passiert ist. Wenn wir das gewußt hätten.
Und als die Mama gestorben ist, haben wir uns halt gesagt, das ist eben so. Am Schluß stirbt man.
---
Warum sind wir immer einverstanden mit allem?
Und warum sind wir so zuversichtlich?
---
Solange ich das nicht weiß, bin ichs nicht. Wenn du auf der Seite der Weiterlebenden bist, kannst du leicht sagen, mach ma so weiter. Die Weiterlebenden sind die Angepaßten. Die Einverstandenen. Die Gutgläubigen. Die lassen sich alles einreden. Die sind eigentlich korrupt. Sie stellen sich die Frage nicht. Um keinen Preis. Mit welchem Argument?
---
Na gut, ihr Argument ist das Leben. Das Weiterleben wenigstens. Ist ja auch etwas. Das haben sie für sich. Aber das gilt nicht für immer. Für niemanden. Das Argument ist zu kurz.
---
Man müßte wissen, was das ist, das einen ins Dunkle hineintreibt, ohne daß man irgendetwas weiß. Vielleicht haben wir irgendeine Abmachung mit dem, vielleicht kennen wir das eh. Vielleicht ist es uns das Allerselbstverständlichste. Wie die Zehennägel, die du immer mit dir herumträgst, und erst merkst, wenn irgendwas nicht stimmt damit. Sie wachsen stur immer weiter, sogar wenn du tot bist.
7. Szene
Büro mit riesigem Schreibtisch, auf dem meterhohe Stapel von Papier liegen. Mehrere Telefone, ein Computer, Fax und andere technische Geräte.
MUSIK: lauter Gitarrensound, peitschender Rhythmus
Julius hantiert mit Akten, Telefonen, Computer...ca. 2-3 Minuten. Steigerung. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Papier fällt zu Boden. Sekretärinnen stürzen herein, stellen (stumme) Fragen, Julius rauft sich die Haare.
Dann zieht er den Stecker aus der Dose und fällt erschöpft auf den Sessel zurück.
Julius: Pffffft.
Das gibts ja nicht.
Geht zum Fenster, öffnet es. Vogelzwitschern.
Heute gehts aber wieder super. Ein echter Genuß. Endlich weiß ich, wozu ich lebe. Sonst würde ja die ganze Wirtschaft zusammenbrechen. Und zuerst unsere Firma. Das ist echt ein Lebensauftrag.
Und am Wochenende fahren wir in die Berge. Das heißt: Kinder zusammenpacken, Telefon umleiten, das Adressbuch nicht vergessen, die Milch abbestellen, den Nachbarn bitten, die Katze zu versorgen, eine Wanderkarte kaufen, die Berghütte reservieren, die Wettervorhersage hören, außerdem das Auto vom Mechaniker holen, die Bergschuhe einfetten, den Rucksack vom Bruder holen, die Aufträge dieser Woche noch Zuhause fertigmachen, meine Nummer beim Lieferanten für nächste Woche angeben, und die Hälfte habe ich wahrscheinlich vergessen, das merk ich dann am Montag.
Die Uli wird mich wieder kritisieren, daß ich abwesend bin, wenn ich bei ihr liege, die Kinder werden mich fad finden, wenn ich dauernd telefoniere, dem Erwin werde ich zu langsam gehen und zuwenig Kondition haben, das Wetter wird wahrscheinlich zu kalt sein und zu windig, dann werden die Sonnenkollektoren auf der Hütte keinen Strom bringen, und wir werden schon um 8 kein Licht mehr haben, die Kinder werden maulen, die Uli witd das romantisch finden bei Kerzenlicht, aber ich werde nicht dazupassen zum gemütlichen Ambiente, wenn mir immer etwas einfällt, das ich schnell notieren muß.
Mit einem Wort: das perfekte Leben.
Und das seit Jahren.
Ich will gar nicht nachrechnen.
Ich war ja immer schon perfekt.
Schon als Kind immer funktioniert. Die Spielsachen aufgeräumt, die Aufgaben ordentlich gemacht, nie frech gewesen.
Mein Tod wird auch perfekt sein.
Mit Gift am besten. Das macht keine Flecken.
Testament und Begräbnis schon alles geregelt, Frau und Kinder versorgt - mit wem?, ach, da find ich schon wen, den Erwin vielleicht, vielleicht ist der eh schon..., ja wahrscheinlich. Weil ich nie Zuhaus bin.
Aber wird dann a Ruh sein?
Wenn ich nimma da bin?
---
Aber bin ich jetzt überhaupt da?
Was heißt überhaupt DA? ----
WO?
8. Szene
Berggipfel, vielleicht düsteres Licht, windig. Alle bisherigen Figuren locker gruppiert, sitzen, stehen. Ruinen, Bäume, hohes Gras. Manche schauen den Abhang hinunter, manche stehen um einen Baum herum, andere sitzen auf einer Mauer, einer ißt ein Butterbrot, einer hockt mit einem Buch in einer Mauernische, manche schauen sich nur stumm an.
Er: Also ich find das recht langweilig. Das ist gar nichts Neues. Das ewig gleiche Gequatsche. Hörst du 1000x jeden Tag.
Joe: Na und? Das soll doch lebensnah sein, oder?
Professor: Wer sagt das?
Frau: Auch im Gequatsche kommen die wirklichen Fragen hervor. Jedenfalls bei uns.
Julius: Ja, das ist das Konzept.
Vater: Also Fragen sinds genug.
Jack: Und was ist mit den Antworten?
Frau: Nicht so schnell. Wichtiger sind die Fragen.
Sie: Find ich auch.
Remus: Die wirklichen Frager sind die Frauen und Kinder. Merkt ihr das?
Professor: Das ist richtig - zunächst. Aber es gibt auch fragende Männer. Die fragen anders.
Jack: Ja, als Forscher z.B.
Frau: Aber ist das nicht das Fragen danach, wie man etwas kriegen kann?
Professor: Und die Alternative?
Frau: Offenheit. Die Frage offen lassen.
Joe: Das war überall so. Niemand hatte eine Antwort.
Er: Und was ist daran Besonderes? Keine Antwort zu haben? Wozu studieren wir das? Die ewigen Fragen der Menschen? Was gehn uns die an - das ist meine Frage. Wieviele Figuren, wieviele Situationen brauchen wir noch? Was soll da herauskommen?
Professor: Ich glaub, wir müssen darauf achten, wie die Fragen entstehen. Nämlich aus einem Problem. Einem Mangel. Etwas Fehlendem.
Frau: Die Frage sucht das Fehlende.
Professor: Die Frage kommt also aus einer Wahrnehmung. Man muß zuerst wahrnehmen, was nicht da ist.
Er: Wir forschen also nach NICHTS.
Julius: Das stimmt. Das Fehlende war in allen Beispielen präsent.
Sie: Und die Frauen haben das Fehlende anders wahrgenommen und gesucht. Sie wollten es gutmachen.
weichensteller - 18. Jun, 19:23
in Istanbul. Ich hatte 24 Stunden Aufenthalt vor meiner Weiterreise nach Israel. Ich hatte den Galataturm gefunden, und nun saß ich auf einer Bank in dem kleinen Park unter dem Turm, genau an der Stelle, an der uns Propheten mein Freund Mete letzten Sommer das frühere Stadttor von Galata gezeigt hat. Ich saß auf dieser Steinbank, genoß den Vormittag und schrieb etwas in mein Notizbuch, oder vielleicht zeichnete ich die Häuser gegenüber der Bank oder den Obstverkäufer, wie er mit Gewichten auf seiner Waage Melonen oder Pfirsiche abwog.
Da blieb ein junger Mann stehen, sprach mich an und setzte sich bald zu mir. Ihm war meine Ruhe aufgefallen und mein Interesse an der Gasse. Wir stellten uns vor, plauderten ein bißchen, und nach spätestens 5 Minuten fragte er mich nach Gott. Ob ich an ihn glaube. Denn er hatte noch kaum Christen kennengelernt, die an ihren Gott glaubten. Er war sichtlich erfreut über meine Antwort, und er stellte die zweite Frage: An wie viele Götter glaubst du? Und wer ist Jesus?
Er versicherte mir, wie sehr er Isa schätze und verehre, ein großer, vielleicht der größte Prophet vor Mohammed. Aber dass er Gott sei? Dann hätten wir zwei Götter.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir über die Trinität gesprochen haben an diesem Vormittag, aber bis zum Abend hatte Mehmet mir den großen Basar gezeigt, die Suleimanja-Moschee, wir waren essen gewesen in einem schattigen Nebengäßchen und hatten uns in einem Hamam ausgeruht, mit türkischer Massage und Apfeltee, wie es sich gehört. Meine erste Begegnung mit der Millionenstadt hatte mich vor die Dreifaltigkeit geführt, vor das Eigentlichste meines christlichen Glaubens, und hatte mir selber die Brisanz dieses Glaubens vor Augen geführt.
2. Unser christliches Abendland hat das Systemdenken hervorgebracht in einer Zeit, die wir Aufklärung nennen. Seither wurde die Erde mit Nationalstaaten überzogen, in politische Systeme aufgeteilt, von unserem Wirtschaftssystem erschlossen und von Waffensystemen gesichert. Systeme versuchen, eine Einheit herzustellen, wo Dinge verschieden sind. Wenn z.B. in einem Land Menschen verschiedener Sprache leben, schon seit Jahrhunderten, so versucht der Nationalstaat, durch die Landessprache eine Einheitlichkeit zu erzeugen, welche die Verschiedenheit übersteigt und zuletzt aufhebt. Der freie Markt verlangt, dass alle Firmen ihre Waren zum Kauf anbieten können, ohne Einschränkungen. Die großen Firmen schlucken die kleineren und bieten alsbald unter verschiedenen Namen immer gleiche Produkte an. Unser Kritischer Konsument-Plakat der Ökogruppe hat z.B. im Mai gezeigt, wie 99,1 % von dem Fleisch, das in Österreich gekauft und gegessen wird, aus Massentierhaltung stammt, von Tieren, die nie die Sonne gesehen haben.
Die Bibel spricht dagegen von einer ganz anderen Art von Einheit: Ich und der Vater sind eins. Aber verschieden. So verschieden, dass der Vater den Sohn dahingibt, in den Tod gibt, in die äußerste Gottesferne, dorthin, wo jede Freiheit endet. Auch die Gottes. So riesig ist die Spanne Gottes, vom Inbegriff des Lebens und Seins bis zum Tod und dem Nichts. Gottes Liebe ist das Herschenken, das Hergeben. Der Abschied, der dennoch niemals aus der Nähe führt. Denn die Getrennten sind im Gebet vereint. Oder anders gesagt: Das Gebet ist eine Art, wie die Getrennten eins sind. Ebenso die Hoffnung, das Vertrauen, die Taten der Liebe. Die Verschiedenheit, sogar die Trennung, ist also Voraussetzung der Liebe. Und die Liebe ist der Geist.
3. Wie kann eine Gemeinde wachsen, die der Dreifaltigkeit geweiht ist. Sie wird wohl Verschiedenheit schätzen, die Verschiedenheit der Dienste, der Priester und der Laien, der Frauen und der Männer, der Jungen und der Alten. Und die einen werden sich an den anderen freuen, dass sie so sind, wie sie sind. Dass nicht alle so sein müssen wie wir. Aber nicht in Gleichgültigkeit: mach, was du willst, mir egal. Sondern in Sorge: werden das richtige Wege sein, richtige Antworten. Werden wir nichts Wichtiges übersehen. Die Gemeinde der Dreifaltigkeit wird riesige Energien freisetzen, wenn ihre Einheit noch größer ist als die Verschiedenheit. Wenn sich sogar ganz Fromme einigen können mit den Ungläubigen, und wenn Liebende einen Weg finden mit den Gleichgültigen zusammen.
Aber das, ihr Gläubigen, braucht die Geistesgaben, nur der Geist gibt solche Einheit. Seht nur die Schwäche unserer geteilten Kirche an, all die Eifersüchteleien und Vorbehalte. Bittet um den Geist, ihr Gefirmten und Nochnichtgefirmten, dass er uns zusammenführe. Alle.
weichensteller - 10. Jun, 15:52
dass ein Ende ist, und wir wissen nicht wann –
wozu gehst du dann in die Schule, wozu arbeitest du jeden Tag, wofür.
Die Zeit vergeht, du bringst Geld nach Hause, baust ein Haus, kaufst Sachen.
Wozu.
Manches Ende ist bereits gekommen, z.B. der Familien, die Familien sind am Ende, eure Kinder erzählen es mir, keine Zeit für sie, allein zu Hause – die Kinder, die noch geboren wurden.
Wenn das stimmt, dass das Ende nah ist.
Aber es stimmt nicht. Wir feiern jährlich Zuwachs, die Kurse steigen, die Rendite, das Wirtschaftswachstum. Unsere Stadt wird größer, haben wir gehört, Menschen siedeln sich an, Betriebe am Stadtrand, aus Grünflächen wird Bauland. Straßen werden gebaut, die KFZ-Neuzulassungen nehmen zu jedes Jahr um ein paar Prozent, ebenso die Kilometerleistungen, und natürlich der Ölverbrauch. Die Gehälter steigen, natürlich zu langsam, die Urlaubsziele sind immer entfernter, auch die Ansprüche steigen natürlich. Wir sehen das ja an unseren eigenen Gästen. Unverständlicherweise steigt auch der CO2-Ausstoss, obwohl wir ihn senken wollten bis 2011, was soll man machen.
Doch wenn ein Ende ist?
Gut, wir verhandeln über die Frist. Die Lebenserwartung hat schon deutlich zugenommen. Wir fristen Jahrzehnte unseres Lebens, die wir dann vor dem Fernseher verbringen in leeren Häusern, und werden wöchentlich von den Kindern besucht oder den Enkeln – wenn es gut gelaufen ist. Früher hat man gesagt, die Erde könnte 6 Milliarden Menschen ernähren – damals waren es erst vier, ich erinnere mich deutlich. Heute berechnet man ihr leicht das Doppelte. Gute Händler sind wir alle.
Aber warum dann so nervös?
Unsere Stadt rühmt sich ihrer Mobilität, 2, 3 Jahre in dieser Übergangswohnung, bis wir uns eine bessere leisten können, ohne Nachbarn, einen Job zum Einstieg, man muss ja Erfahrung sammeln, bis zur Pension kann ohnehin keiner bleiben. Ja, ich werde kommen am Samstag, wenn bis dahin nicht noch etwas anderes passiert, natürlich, mach ich doch gern, ich ruf dich an. Passagiere sind wir unseres Lebens, es gleitet vorbei, was, schon wieder eine Woche - ein Jahr? Und was ist gewesen? Hoffentlich habt ihr genug Bilder gemacht von der Zeit, die es nicht mehr gibt – so wie die Maikäfer meiner Kindheit, säckeweise. Oder die tristen Herbste mit Nieselregen und Nebel, bitterkalt bereits, die Stürme, die die Blätter durch die Gassen fegen. Ich weiß jetzt, warum alle soviel Fotos machen, jeden Augenblick. Immer sind es Dinge, die es bald nicht mehr gibt.
Wir gehen auf das Nichts zu.
Den Boden haben wir schon verlassen, wohnen bereits im Auto, essen unterwegs. Auch die Menschen lassen wir zurück, einen nach dem anderen, es hat keinen Sinn mehr gehabt, wir haben uns nicht mehr verstanden.
Ich habe letzten Sommer ein ermordetes Volk besucht im Kaukasus, und war an den Orten seiner Hinrichtung. Damals, im 1. Weltkrieg, war Österreich mit seinen Verfolgern verbündet und hat nichts getan, so wie alle anderen. Die ganze Welt hat zugeschaut, alle wussten es, 1,8 Millionen Armenier, Männer, Frauen, Kinder, Greise. Heute streiten wir um die Aufnahme ihrer damaligen Gegner in die EU. Vor 15 Jahren wurden in Yugoslawien, das am Ende war, Völker ermordet, und wieder haben wir zugesehen. Heute sehen wir im Sudan zu. So haben wir die Zeit genützt. Das haben wir getan. Wir haben sie zurückgelassen, die Geschichte muß weitergehen.
Auch der Glaube geht zu Ende, oder hast du schon einmal eine wachsende Gemeinde gesehen, wo junge und alte Menschen in Christus neue Hoffnung schöpfen, sodass sie umkehren können aus einem falschen Leben, dann müsste ja die Welt sich ändern. Ein Arbeitsjahr/Schuljahr geht zu Ende, hoffentlich haben alle diese Zeit genützt, getan, was sie konnten, und gelernt, was zu lernen war, denn dasselbe kommt nicht mehr. Immer wieder bleiben Menschen zu Hause, obwohl sie eingeladen waren oder gebraucht wurden. Und was es noch zu tun gibt. In jedem eurer Leben und in dieser Gemeinde. Es ist eure Gemeinde, nicht meine, ich bin nur auf Zeit hier.
Und vielleicht geschieht das noch, dass dieses Nichts, auf das wir zugehn, ein Gesicht bekommt. Ein Antlitz, das man einmal aushalten kann. Vielleicht geschieht einmal Vertrauen, dass es eine Führung gibt, und dass man nicht allein bestehen muss. Es könnte einer sein, der mit ihm in Kontakt ist, auf vertrautem Fuß von Du zu Du, ohne je gesehn zu haben, könnte sein. Es könnte, wer so lebt, die Frist nicht fürchten, sondern andre Wege gehen als jene, und müsste nicht nervös sein ob des Endes. Das wäre ein Prophet, und Ruhe könnte sein. Vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels., und die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt. An jenem Tag, zu jener Zeit
weichensteller - 10. Jun, 15:44
Ich muss jemanden mitnehmen eine Weile, um etwas erzählen zu können. Man kann es nicht gerade heraus sagen. Fahren wir nach Ephesus, zu Heraklit, dem Anfänglichen. Denn zu Ephesus wird vieles zu sagen sein.
Den anderen Menschen aber entgeht, was sie im Wachen tun, genauso wie das, was sie im Schlaf vergessen. (Fragment2)
Die Leute verstehen die Dinge nicht, die ihnen begegnen, und wenn diese ihnen erklärt werden, begreifen sie sie nicht und beharren auf ihren privaten Einsichten. (Fragment 5)
Anwesend sind sie abwesend (Fragment 6)
Wenn das Unerwartete nicht erwartet wird, wird man es nicht entdecken, da es dann unaufspürbar ist und unzugänglich bleibt. (Fragment 28)
OB MAN ÜBERHAUPT NACH EPHESUS FAHREN KANN. Gut, es steht auf der Landkarte, alle Türken kennen es – kennen den Namen! – aber: was heißt hinfahren.
Ephesus ist eine Hafenstadt. Weit weit vom Meer.
Niemand wohnt in Ephesus. Morgens kommen die Aufseher und Souvenierverkäufer. Dann die Autobusse.
Und vorher waren die Ausgräber da. Mit ihren Karten und Büchern und Zelten. Aber die Türken, die sie angestellt haben, kratzen ihnen die Tontöpfe und Münzen aus der Erde und stecken jede zweite in die eigene Tasche. Mir hat einer byzantinische Münzen verkauft. Und dann machen sie einen hohen Zaun herum und verlangen 10 Lira Eintritt.
Ephesus ist eine Weltstadt zudem. Eine römische.
Und wir begreifen nicht einmal, wie all die Tempel benutzt wurden: Wen haben sie gemeint, als sie dort Opfer darbrachten? Und was erwarteten sie dafür.
Kybele, die alte Muttergottheit der Ackerböden.
Die Frucht ihres Schoßes nährte die Menschen.
Aber Artemis.
Die Jägerin der Nacht. Freundin der Hunde und Bären.
Zwillingsschwester des Apollon, Gott der Seher.
Der Bogen und die Mondsichel. Was soll diese Mädchenhafte mit den ephesischen Brüsten, die vielleicht umgehängte Stierhoden sind. Wie passt das zusammen.
Ihr baute man den Riesentempel – von dem hier nichts zu sehen ist.
Paulus hatte mit ihr zu kämpfen, er riskierte sein Leben.
Aber Christus, den er verkündete, wurde von einer Frau geboren – einer Frau, sagt er, und kennt nicht einmal ihren Namen. Und von dieser Frau wird gerade hier gesagt werden, dass sie Gottesmutter sei, und der es sagt, Cyrill von Alexandrien, bringt gleich die Bilder mit von Isis, die ihren Sohn in den Armen hält.
Gottesmutter, Vorwort von Christus, Mensch und Gott.
Eingang Gottes in die Welt.
Ob wir das begriffen haben. Nicht die Erde ist der Menschen Schoß, sondern Menschen Schoß die Ankunft Gottes. Es ist die Frage nach der Einheit: Mensch und Gott im Fleisch geeint: in Maria. Gott in der Welt: das geht uns nicht ein. Fleischwerden, Menschwerden: WIR sein Leib, wo wird das gelebt und geglaubt. War Cyrill zu mutig, mit dem Heidenwort im Kern des Christusglaubens?
IN EPHESUS: jeder geht an der Marienkirche vorbei, kein Schild, kein Hinweis – nur wer hingeführt wird. In der Seitenkapelle, lesend, denkend: da erschienen eine Wienerin und zwei Israeli und suchten mit uns: den einen Christus, Mensch und Gott.
Wir zehn in der Nachmittagssonne, zwischen Zikaden in den Sträuchern, auf Mauersteinen im Kreis.
Warum das enden musste, so suchen und fragen. Wir wären noch zur Wesensfrage gekommen. Aber wir beteten das Magnifikat jeden Abend, meine Seele , sprachen wir mit ihr, mit Maria, meine Seele preist die Größe des Herrn, und: der Mächtige hat Großes an mir getan, so sprachen wir mit ihr, und wollten beginnen, für das Große offen zu werden.
Anwesend in Ephesus
Der Gott ist Tag-Nacht, Winter-Sommer, Krieg-Frieden, Sättigung-Hunger – alle Gegensätze, das ist die Bedeutung - ; er wandelt sich, genau wie Feuer (45)
Alles ist austauschbar gegen Feuer und Feuer gegen alles, wie Waren gegen Gold und Gold gegen Waren. (63)
Wir sieben in unserem Auto Tag für Tag, mit dem Vorderreifen, der immer Luft verliert, wir tasten uns nach Didyma, umrunden mehrmals den riesigen Tempel, Apollon, der Gott der Seher, sein Orakel: wir Propheten, wir im Ruf Stehenden, wir auf die Reise Geschickten. Vielleicht waren wir uns über den Auftrag nicht ganz klar, hatten zu ringen diese zehn Tage, auch um uns. An sich halten, sich nicht verlieren, in tausend Eindrücken, zehntausend Zusammenhängen, all die Fächer der Geschichte, denn wir waren zugleich in der Bronzezeit unterwegs, in der griechischen Antike, der Römerzeit, der byzantinischen Zeit, der osmanischen Zeit, im zwanzigsten Jahrhundert, aber jeder Tag zwischen Morgenlob und Abendgebet, Benediktus und Magnifikat, somit also im Gespräch, und bei soviel Unabwägbarem war das noch das Sicherste, diese Worte, in aller Offenheit. Verlier dich nicht, wenn du hören sollst
In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht. (95)
Das ewige Leben ist ein Kind, spielend wie ein Kind, die Brettsteine setzend; die Herrschaft gehört einem Kind. (124)
Die Ordnung des aufs Geratewohl Zerronnenen ist laut Heraklit die schönste. (125)
HIER IN KARAKÖY, am Hafen, mit dem Blick auf den dichten Schiffverkehr am Goldenen Horn und am Bosporus, könnte vielleicht das Wesentliche gefunden werden. Denn man kann dem Restaurantbesitzer zusehen, wie er die Passanten anspricht, und muss ihn nicht als lästig und aufdringlich abwimmeln. So wird man ein Teil davon. Wenn dann z.B. ein griechischer Pope im schwarzen Kaftan erscheint und eine kleine Gruppe von Männern begrüßt, die ihm alle die Hand küssen, und er sich nach kurzer Unterredung grußlos umwendet und weggeht, dann könnte man die Blicke der Gäste im Restaurant verstehen, vor allem aber den Wirt, der plötzlich dabeigestanden ist und jetzt auf die Zurückgelassenen munter einredet.
Oder wenn da ein Mädchen vorbeikommt mit einer Papiertüte unterm Arm, aus der ein winziges schwarzes Katzenköpfchen hervorlugt, und, als ich hinsehe, lautlos klagend dass Mäulchen öffnet – dann kann man dem Mädchen zuzwinkern, und es lächelt zurück.
Was das alles mit dem Wesentlichen zu tun hat?
Dass ich keine drei Mahlzeiten brauche am Tag.
Dass ich um 6 Uhr aufwachen kann, gleich wie lang der Abend war.
Dass ich unbehelligt bleibe von den Hinterfragungen durch die Reiseteilnehmer.
Dass ich es manchmal schaffe, drei eigenständige Gedanken zu denken am Tag. Und wenn nicht, dass ich jeden Tag eine oder zwei große Geschichten anreiße und darauf rechne, dass ich sie zu Ende führen kann einmal, oder am Ende verknüpfen. Und dass am Ende eine Einsicht steht.
Aha, so ist das.
So staunt doch darüber, dass dieses Große sich euch mitteilt.
Warum denn die Menschen soviel Angst haben vor Großem.
Lieber streiten sie sich um Sitzplätze, als Heraklit von Ephesus zuzuhören. Wahrscheinlich war der auch zu unleidlich.
Wie können euch die großen Schiffe Größe lehren, die draußen am Bosporus stumm vorbeigleiten, wenn ihr vor lauter Geschwätzigkeit nicht hinseht.
Oder wie die Tempel dieser Stadt, wenn ihr nach der Sperrstunde kommt.
Oder wie sogar mein Freund Mete, der euch durch Galata führt und euch das Erbe der Geschichte erklärt, für das er lebt und kämpft als einzelner gegen die Millionenstadt, wenn ihr auf die Uhr seht.
Und wisset: soeben, als ich das schrieb, hat der ganze Kai zu schwanken begonnen, als des angekommenen Schiffes mächtige Wellen das vertäute Peer hoben und senkten. Das nehme ich als Bestätigung, dass es wahr ist:
Wir sind bei der GEBURT DES CHRISTENTUMS dabei gewesen und haben mit der Mutter gesprochen.
weichensteller - 10. Jun, 15:10
Drama in 7 Aufzügen
Bühne: Am Boden ist eine große Spirale, oder wenn möglich so wie ein Mühle-Spielbrett. Die erste Szene beginnt nahe der Mitte, jede spätere Szene ist weiter außen, sodass die Darsteller sich kreisförmig immer weiter von der Mitte wegbewegen. Die einzelnen Schauplätze sind dabei einander gegenüberliegend. Zwischen den Szenen überqueren alle Darsteller, auch mehrere Musikanten, vielleicht sogar das Publikum, die Bühne wie Passanten, ohne sich um Bauten oder Markierungen zu kümmern. Damit wird die Bodenmarkierung zu einer Art Geheimplan, den nur einige erkennen und befolgen, andere aber geflissentlich übersehen.
1
Franz
Bruder Bernhard
Bruder Ägidius
Bruder Philippus
Alle sitzen um einen Tisch. Die Gewänder sind kostbar und flott. Am Tisch stehen die Reste eines üppigen Mahles, Becher und Weinkannen. Die Musiker stehen neben dem Tisch.
Franz: Komm, trink mit mir!
Bernhard: Ich hab schon genug!
Franz: Es ist nie genug! Wie wollen wir sonst die schöne Musik beantworten und die laue Mondnacht, Freunde?
Bernhard: Also gut, du hast recht. Schenk ein.
Franz: Kannst du uns nicht ein wenig tanzen?
Einer tanzt zur Musik.
Ägidius: Franz, was wird der morgige Krieg bringen?
Franz: Ehre, mein Freund, Sieg und Ehre, was sonst! --- Denkt nicht an morgen, Freunde. Heute muß die Nacht genossen werden.
Ägidius: Franz, was macht dich so sicher?
Franz: Hast du Angst, mein Freund? Ängstliche sollen nicht in den Krieg ziehen.
Ägidius: Was macht dich so sicher, dass wir siegen gegen Perugia, die reiche und große Stadt?
Franz: Meine Kleider, Freund, mein heutiges Festkleid. Und der köstliche Wein. Zum Wohl!
Ägidius: Franz, das reicht nicht.
Franz: Doch, es reicht.
Philippus: Na, ihr beiden, warum so ernst? Habt ihr den Himmel gesehen?
Bernhard: Ist das der Mars dort?
Philippus: Ja, das ist der Mars. Genau gegenüber der Venus. Entweder Krieg oder Liebe.
Franz: Morgen jedenfalls Krieg. Und dann werden wir weitersehen. Tanz doch noch einmal!
2
Franz
Vater
Mutter
Bischof
Ein Verlies. Franz allein, nachdenkend.
Franz: Wie soll ich ihnen das erklären. Ich mußte das tun. Wenn sie diese Kirche gesehen hätten. So gesehen wie ich. Völlig verfallen, und zwischen den Trümmern der Pfarrer, der versucht, eine Messe zu feiern. Mit den wenigen, armen Leuten. Das war nicht auszuhalten. Das müßt ihr doch verstehen, Vater, Mutter, versteht doch!
Mutter tritt auf Ja, Franz, da bist du ja!!
Franz Mutter!
Mutter Franz, was ist denn geschehen? Ist es wahr?
Franz Ja Mutter. Es stimmt, ich habe alle Stoffballen verkauft.
Mutter Warum denn das? Was ist in dich gefahren, Franz, wie konntest du das machen? Dein Vater hat sich zu Tode aufgeregt.
Franz Ich weiß, Mutter, ich weiß ja. Das wird er nicht verstehen.
Mutter Ich versteh es auch nicht. Erklärs mir, Franz
Franz Mutter, diese alte Kirche muß wieder aufgebaut werden!
Mutter Das soll der Bischof machen
Franz Der Bischof kommt dort nicht hin
Mutter Aber warum du?
Franz Christus hat mich dort angeschaut, Mutter
Mutter Franz, was sagst du da. Unser Herr wird doch nicht in einer Kirchenruine wohnen
Franz Denkst du das? Und wenn der Priester dort Messe feiert? Ist der Herr dann nicht da, wenn sich die paar Alten dort versammeln in seinem Namen, und der Herr sich schenkt in Leib und Blut?
Mutter Na ich weiß nicht
Franz Du willst nicht glauben, dass sich unser Herr so klein macht?
Mutter Du meinst, er tut das?
Franz Aber ob es würdig ist. Ob wir seiner wert sind, wenn wir die Kirche verfallen lassen
Mutter Na gut, du hast ja recht. Lass uns zum Bischof gehen. Und gib deinem Vater das Geld wieder zurück
Franz Nein. Das tu ich nicht. Es gehört Gott
Mutter Was sagst du da
Vater tritt auf mit Getöse Wo ist der Dieb! Wo ist der Dieb!
Franz Hier bin ich
Vater Wo ist das Geld! Auf der Stelle das Geld
Franz Nein
Vater Was fällt dir ein! Bist du von Sinnen?
Franz Es gehört dir gar nicht, Vater. Es gehört den Armen. Sie hat Gott erwählt, nicht uns Geschäftemacher
Vater Du bist verrückt geworden. Mein Sohn ist verrückt geworden. Nimmt mein Geld und verschenkt es. Ich werde dich einsperren. Bei Brot und Wasser. Und dann, dann wirst du arbeiten. Ich hab dich viel zu sehr verwöhnt. Hättest schon früher arbeiten sollen. Damit du weißt, was das Geld wert ist. Wer sich nicht anstrengt, weiß das nicht. Du wirst mir arbeiten, Sohn, bis du das Geld wieder verdient hast. Und wenn es zwanzig Jahre sind.
Mutter Vater, denk doch, Vater, es ist dein Sohn!
Franz Nichts werd ich tun. Sperr mich ruhig ein. Keine Hand rühr ich für Geld. Was soll das wert sein, Stoffe kaufen, wieder verkaufen an reiche Leute. Das hier. Das zählt. Diese Kirche wieder aufbauen. Eine Schande, dort den Herrn feiern zu müssen, während es hereinregnet. Das gehört repariert
Vater Da, du hörst es. Er ist von Sinnen. Mutter, wen hast du da großgezogen. Das kann nicht mein Sohn sein
Mutter Vater, was sagst du da!
Franz Ganz recht, ich kann nicht dein Sohn sein. Von einem Tuchhändler, der nur an Geld denkt, während Menschen vor seiner Tür verhungern und der Herr in einer Ruine wohnen muß
Vater Hörst du, was er sagt! Ich nehm ihm das Tuch weg, das er am Leib trägt, auf einmal verachtet er’s, bisher hat er geprahlt damit vor seinen Leuten, war der vornehme Mann, immer im Mittelpunkt, immer mit flotten Sprüchen, solange ich ihm das Geld gegeben habe. Aber damit ist jetzt Schluß. Er weiß es nicht zu schätzen. Er verdient es nicht. Mutter, dieser kann nicht mein Sohn sein
Mutter Herr Bischof, oh Herr Bischof, bringen Sie den Franz zur Vernunft, er versündigt sich an uns!
Bischof tritt auf Nun, habt ihr ihn endlich gefunden? Ist er wohlauf?
Mutter Exzellenz, unser Sohn ist von Sinnen
Bischof Aber Franz, was fehlt dir denn?
Franz Exzellenz, mein Vater mißachtet den Herrn, er lästert Gott
Vater Hör dir das an
Bischof Franz, hast du ihm das Geld zurückgegeben?
Franz Exzellenz, damit wird die Kirche aufgebaut
Bischof Aber Franz, was sagst du da. Du gehörst zu deinem Vater. Mach Frieden mit ihm.
Vater Er denkt nicht daran. Hat noch nie gearbeitet. Der Nichtsnutz. Geht prahlen mit meinem Geld. Sich wichtig machen
Franz Dieser kann nicht mein Vater sein, ich sehe das jetzt. Nur einen Vater gibt es, den im Himmel.
Vater Er versündigt sich. Sperr ihn ein, schlagt ihn.
Franz Mann, da hast du dein Geld. Da ist dein Gewand. Da, nichts will ich von dir haben.
Zieht sich aus, wirft dem Vater alles vor die Fuße
3
Franz
Gepetto
Gepetto liegt auf einem ausgebreiteten Zeitungspapier, diverse Utensilien in Plastiksäcken in der Nähe.
Franz tritt auf
Franz Ich glaube, sie werden das nie verstehen.
Gepetto stutzt Verstehst du es denn?
Franz lacht Gute Frage, gnädiger Herr. Nein, wahrscheinlich versteh ich es selbst nicht. --- Was sagst du da überhaupt? Kennst du mich denn?
Gepetto Kennen ist übertrieben. Aber wenn so ein vornehmer Herr daher kommt
Franz Vornehm? Gerade hab ich meine Kleider hergegeben
Gepetto Das Tuch, in das du dich hüllst, so was tragen hier die Aussteiger
Franz Gibt es viele solche?
Gepetto Immer wieder. Streiten mit dem Vater, tauchen unter ein paar Tage, und organisieren sich dann einen Job, um unabhängig zu sein.
Franz Ich suche keinen Job
Gepetto Wie wärs mit Reisen? Du solltest andere Länder sehen, andere Menschen, damit du loskommst von deiner spießigen Familie
Franz Daran hab ich noch nicht gedacht
Gepetto Also doch
Franz Aber darum geht es nicht. Ich brauche keine Existenz gründen. Ich will etwas anderes
Gepetto Soweit hast du noch nicht gedacht. Aber es wird einmal nötig sein. Du kannst ja nicht immer von der Hand in den Mund leben. Du wirst heiraten und eine Familie gründen wie alle, viele Bambinis, und die wollen täglich was zu essen haben.
Franz Nein, so denke ich nicht
Gepetto Jetzt noch nicht
Franz Nein, das interessiert mich nicht. Es muß etwas anderes geben
Gepetto Das sagen viele
Franz So will ich es versuchen
Gepetto Dann wirst du so enden wie ich
Franz Warum nennst du das ein Ende
Gepetto Wer so lebt wie ich, hat nichts mehr zu erwarten
Franz Wer sagt das? Du hast ja alles zu erwarten. Denn du hast nichts. Also hast du alles zu erwarten!
Gepetto Du machst dich über mich lustig. Ja, darauf kann ich warten, ob heute oder morgen einer kommt und mir zu essen gibt.
Franz Weißt du, was du da tust?
Gepetto Ja, betteln. Was ist das schon. Und frieren, husten, hungern. Und das Jucken auf der Haut aushalten.
Franz Dann weißt du also, dass Gott es ist, der dich nährt?
Gepetto Ist vielleicht der schuld daran, dass ich kein Dach über dem Kopf habe und keine tägliche warme Mahlzeit?
Franz Nein, er ist es, der dir täglich einen schickt, der dir zu essen gibt
Gepetto Täglich nicht einmal
Franz Ich lerne viel von dir
Gepetto Du machst dich lustig
Franz Hast du noch Platz hier?
Gepetto Du meinst in meinem Appartement?
Franz Lass mich hier bleiben, ich will von dir lernen, mich von Gott nähren zu lassen
Gepetto Da wirst du aber einige Kilo verlieren
Franz Insgeheim hab ich immer gewußt, dass Gott für einen sorgt
Gepetto Einen besser, einen schlechter
Franz Lass dich umarmen, Freund, dass du mir Gottes Vorsehung zeigst umarmt ihn
Gepetto Jetzt weiß ich, wozu ich so lang studiert hab diese Armut
Franz legt sich neben ihn auf die Zeitung
4
Franz
Bruder Bernhard
Bruder Ägidius
Bruder Philippus
In einer Scheune zusammen gekauert, in arme Gewänder gekleidet, die Gefährten mit Franz.
Bernhard: Franz, hast du gemerkt, wie dieser reiche Mann nicht an uns vorüber gehen konnte?
Phillippus: Er konnte wohl unseren armseligen Anblick nicht ertragen.
Ägidius: Brüder, merkt ihr nicht, wie wir alle von Gott geführt werden? Was soll uns schon geschehen?
Phillippus: Na ob das so einfach ist?
Franz: Gewiß führt Gott uns. Er hat uns ja schon aus diesem nichtsnutzigen Leben herausgeholt und unter die Armen versetzt, wo wir nun ALLES von ihm zu erwarten haben. Aber Brüder, denkt nicht, dass es immer so gut ausgehen wird wie heute.
Ägidius: Wenn Gott uns hierher führt, dann sorgt er auch für uns. Schließlich haben wir für ihn alles verlassen und sind ihm gefolgt.
Franz: Bruder, höre: Dass wir nun in Armut leben, ganz von der Vorsehung – das ist doch nicht unser Verdienst! Wir sollen Buße tun für unser früheres Leben, hörst du!
Ägidius: Meinst du, drei Kirchen wieder aufbauen reicht noch nicht?
Franz: Gott schenkt Versöhnung.
Bernhard: Aber Franz, wird das immer so sein? Dass uns jemand zu essen gibt und ein Dach? Man kann sich doch nicht darauf verlassen. Und es gibt doch so viele Arme. Brauchen die nicht noch dringender Hilfe als wir?
Phillippus: Der Bischof hat uns ein Haus angeboten, damit wir eine Bleibe haben. Wir könnten am Feld arbeiten, uns selbst versorgen und dann den Armen in Assisi noch viel besser helfen.
Franz: Siehst du, das ist die Versuchung zur Bequemlichkeit. Das ist immer praktischer. Aber da machst DU deinen Plan mit Gott. Ich aber will auf Gottes Plan mit mir achten.
5
Franz
Bischof
Papst
In den vornehmen Hallen der päpstlichen Kurie.
Bischof: Lieber Franz, welche Überraschung, dass du nach Rom kommst. Das hätte ich nicht erwartet, da du doch das einfache Leben viel mehr schätzt.
Franz: Herr Bischof, danke für die Begrüßung, ich habe einen Auftrag. Ich will den Papst sprechen.
Bischof erschrickt: Was du nicht sagst. Brauchst du Geld? Habt ihr gestritten?
Franz: Ich bitte eure Exzellenz um eine Audienz bei Seiner Heiligkeit.
Papst auf dem Thronstuhl: Du bist dieser Franziskus, der freiwillig mit den Armen lebt und Gefährten um sich sammelt?
Franz: Eure Heiligkeit, danke, dass ihr mich empfangt.
Papst: Ich habe gehört, dass du alte, verfallene Kirchen wieder aufbaust. Wie denkst du über die Kirche in der heutigen Zeit?
Franz: Dass sie nicht genug auf Gott vertraut.
Papst: Meinst du die Kirchenleitung?
Franz: Die meisten Christen. Setzen sich selber an Gottes Stelle. Tun den eigenen Willen, fragen nicht nach Gott.
Papst: Das ist wahr. Ich habe gehört, du und deine Gefährten, ihr zieht durchs Land wie Bettler. Das könnte dem Ansehen der Kirche schaden.
Franz: Wenn das Vertrauen auf Gottes Vorsehung dem Ansehen der Kirche schadet, dann verliert sie nicht viel.
Papst: Vielleicht möchtest du eine eigene Kirche gründen?
Franz: Es gibt nur eine Kirche, und kann nur eine geben. Denn Christus ist doch für alle gestorben, die an ihn glauben.
Papst: Und weißt du, wer erlöst ist? Fühlt ihr euch als die Auserwählten?
Franz: Nur Gott weiß es. Aber unser Herr Jesus Christus ist zu den Armen und den Sündern gegangen. Über ihre Umkehr freut sich der Himmel.
Papst: Gewiß, gewiß.
Franz: Wir haben Buße zu tun, Eure Heiligkeit, und folgen in Armut Christus nach, wie er geboten hat. Und er führt uns durch die heilige Kirche, durch Menschen und durch seine Vorsehung. Das ist uns klar geworden.
Papst: Nun, dagegen läßt sich nichts einwenden. Was soll man gegen das Evangelium einwenden.
Franz: Ich bitte Eure Heiligkeit, unsere Gemeinschaft zu bestätigen.
Papst: Was soll man gegen das Evangelium einwenden
6
Franz
Phillippus
General
Im Lager vor den Toren einer orientalischen Stadt
Phillippus: Sind wir nun so weit gegangen, um zuletzt wieder Krieg zu führen? Wenn auch nicht mehr gegen die Nachbarstadt, sondern diesmal gegen die Ungläubigen?
Franz: Das sei uns fern, Bruder. Krieg kann niemals richtig sein.
Phillippus: Aber wir sind hier im Hauptquartier der christlichen Kreuzfahrer!
Franz: Ich will den General sprechen.
General: Seid willkommen, Botschafter der Heimat! Hat der Papst euch hergesandt in das Land der Ungläubigen?
Franz: Wir gehen, wohin Gott uns führt. Schon lange sehnte ich mich nach der Heimat unseres Herrn Jesus Christus.
General: So kommt ihr als Pilger, nicht als Krieger.
Franz: Ganz recht, aber sagt ihr das nicht auch von euch selbst?
General: Wie kann man fromm sein, wenn man Krieg führen muß?
Franz: Du sprichst mir aus der Seele, General.
Warum hast du dieses gewählt?
General: Mich sendet die Kirche. Du weißt, der Papst befiehlt den Kampf gegen die Ungläubigen und die Befreiung der heiliges Stätten in Jerusalem.
Franz: Aber hier ist nicht Jerusalem. Du bekämpfst den Sultan in dessen Heimat.
General: Er verleugnet unseren Herrn.
Franz: Weißt du das sicher?
General: Sie schimpfen uns Holzanbeter.
Franz: Ich werde ihn fragen
General: Bist du verrrückt?
7
Franz
Phillippus
Wachen
Sultan
Im Lager des Sultan. Die Brüder werden von Wachen vor den Sultan geführt.
Wachsoldat: Diese Spione wollten unser Lager überfallen!
Sultan: Zu zweit?
Wache: Sie wollten uns belauschen!
Sultan: Wie habt ihr sie gefunden?
Wache: Sie kamen direkt auf uns zu!
Sultan: Das sind keine Spione. Lass sie los.
(zu den Brüdern) Wer seid ihr?
Franz: Wir sind Pilger aus Italien.
Sultan: Aber hier ist ein Heerlager, kein Heiligtum.
Franz: Ich will dich sprechen, Sultan.
Sultan: Hast du keine Angst? Deine Leute kämpfen gegen uns.
Franz: Ich habe gehört, ihr betet auch zu Gott. Warum soll ich mich fürchten?
Sultan: Das stimmt, wir beten fünf Mal am Tag.
Franz: Auch die Soldaten?
Sultan: Alle. Der Ausrufer zeigt uns, wann Zeit ist.
Franz: Was wißt ihr von Gott?
Sultan: Dass er zu den Menschen spricht. Durch die Propheten, die auch ihr verehrt, und durch den letzten Propheten, den allein wir verehren, gepriesen sei er. Und dass er unser Gebet erhört. – Und was wißt ihr von ihm?
Franz: Dass er Mensch geworden ist in Jesus. Dass er als Mensch gelebt hat, dass er gestorben ist am Kreuz aus Liebe zu uns. Und dass er auferstanden ist, um Sünde und Tod zu vernichten.
Sultan: Der Schöpfergott und der Menschengott. Das sind doch zwei Götter!
Franz: Es ist derselbe, Sultan.
Sultan: Wie auch immer, beide beten wir.
Franz: Glaubt ihr auch, dass Gott jeden Menschen führt nach seinem Plan?
Sultan: Inschallah, er tut es.
Franz: Aus Liebe?
Sultan: So ist es. Sag mir, bist du ein Sufi? Ein Heiliger der Wüste?
Franz: Ich bin einer, den Gott so arm gemacht hat, dass er auf ihn hören gelernt hat.
Sultan: Vermisst du das bequeme Leben?
Franz: Gottes Nähe allein ist Reichtum für den Menschen.
Sultan: Wirst du mit den Soldaten kämpfen?
Franz: Ein Kämpfer bin ich schon, für die Liebe zu Gott und den Menschen. Die wird von großen Versuchungen bedrängt.
Sultan: Und die dort mit den Schwertern? Wovon werden die versucht?
Franz: Sie glauben, dass die Kirche groß sein muß. Mächtig und sicher.
Sultan: Ist deine Kirche von uns, die ihr Ungläubige nennt, gefährdet?
Franz: Die Pilgerstätten. Jerusalem, das heilige Land.
Sultan: Wenn es euch nur darum geht
Franz: Es geht um den ganzen Glauben. Dass Gott seine Gläubigen führt und ihnen den rechten Weg zeigt.
Sultan: Führt er euch?
Franz: Ich bete. ---
Sultan zu den Wachen: Gebt ihnen zu essen! Bringt ihnen schöne Gewänder und Geschenke! (Die Brüder nehmen nichts an)
Franz zu Phillippus: Fünf Mal täglich beten sie, hast du gehört! Das sollten wir auch tun!
Sultan bei sich: Wenn ich bei uns solchen Glauben fände
Franz bei sich: So nah ist Gott uns in seinem Sohn, dem wir nachfolgen – und doch ist er uns noch fremd! Wieviel müssen wir noch lernen über ihn! Besonders die Liebe, Bruder, besonders die Liebe
weichensteller - 10. Jun, 14:49