des menschen überdrüssig

Sonntag, 13. April 2008

4. clarke, die letzte generation, roman

Wenn über den großen Städten der Erde stumm Raumschiffe erscheinen, so mag das heutigen Cineasten bekannt vorkommen. Wenn von ihnen aber nicht Vernichtung ausgeht, sondern vorsichtige und höfliche Mahnungen und Weisungen, was das Geschick der Menschheit betrifft, in akzentfreiem Englisch, so mag der Leser an einen Bluff denken. Wenn aber dann Krieg und Hunger, Not und Ungerechtigkeit nach und nach verschwinden, sich die Overlords aber erst nach 50 Jahren zeigen wollen, so liegt der Geschichte doch ein großer außerirdischer Plan zugrunde. Zwar muß zugegeben werden: die Overlords ersetzen bald jede Religion durch moderne Wissenschaft und Technik. Aber die Bereitschaft der Menschen zu Unterwerfung nehmen diese Fremden, die nun das Geschick der Erde lenken, gerne an. Und die penetrante Zurückhaltung der Erscheinung der Fremden scheint weniger auf die fehlende Reife der Menschen, als auf ihre Lächerlichkeit zurückzuführen sein: wie große, den Menschen weit überragende apokalyptische Engel mit Flügel, die aus der Nähe säuerlich riechen und das Sonnenlicht nicht gut vertragen.
Zwei bescheidene Rebellionen der Menschen gibt es, welche die Overlords zwar überraschen, aber dann mit Nachsicht quittiert werden: der Raumfahrer, der sich in eines ihrer Versorgungsschiffe einschleust und so auf ihren Heimatplaneten kommt (ein insgesamt in seiner Beiläufigkeit enttäuschendes Erlebnis), und die Inselkolonie, die sich selbst steuern und verwalten will, ein letztes Aufbäumen von Selbständigkeit und eigener Vernunft. Und gerade diese wird auf ungeahnte Weise frei gesetzt und offenbart zuletzt nun doch ein Jenseits, eine Dimension, auf welche die Overlords keinen Zugriff haben und vor der sie sich bescheiden. Die Offenbarung dieses Neuen wird zwar mit der Sprache der Science Fiction ertastet, aber es ist ein Gestammel. Die fremde, überlegene Intelligenz zieht sich zurück, aber der Mensch – freilich ein neuer, transformierter Mensch – ist der Eintrittsort dieses Neuen: im Menschen inkarniert es, während die Sterne vom Himmel fallen und die letzte Generation verschwunden ist in blasser Zeugenschaft. Eine wahrhaft apokalyptische Vision in der gesamten Bilderfülle des letzten Buchs der Bibel. Und nun doch ein ungenanntes Jenseits und ein Zusichkommen der gesamten Schöpfung.
Eine Erlösung? Fragt sich, für wen.

5. blanchot, der letzte mensch, erzählung

Im Zeichen des Paradoxes, steht im Klappentext. Was das bedeuten soll. Und so pflügt sich der Leser durch die Seiten, tastet sich, tastet nach Erzählung, nach Tatsachen und Vorfällen, nach Handlung, nach Eindeutigem. Kaum eine Aussage, der nicht sogleich widersprochen wird, kaum ein Satz, der so stehen bleiben kann – wiewohl doch viele Sätze da sind, und große.
Nun gut, drei Personen, der Erzähler, eine Frau, mit der er in besondere Beziehungen trat, und einer, der Professor genannt wird. Und man kann es nur so sagen: er tritt in Erscheinung, nach und nach. Und auf welche Art:

“Ich habe mich davon überzeugt, ihn zuerst tot, dann sterbend gekannt zu haben.” Sein Erscheinen ist ein unaufhörlicher Vorbeigang, “Ich gehe an seinem Zimmer vorbei”, “sein Schritt hat mich nie getäuscht”, “kommt er noch? geht er schon?”; er ist ein “so entsetzlich wenig schuldiges Geschöpf”, “immer unfehlbar”, “Man mußte ihn in einen Fehler locken”, “Er hat mir Gefühl gegeben für die Ewigkeit, für ein Wesen, das keiner Rechtfertigung bedürfte. Ich stelle mir letztlich einen Gott vor” -
Also darf einmal angenommen werden, es handle sich hier um eine Christus-Manifestation. Das Erkennen Christi, von der Begegnung mit dem Auferstandenen zurück blickend, die nachösterliche Perspektive auf sein irdisches Leben. Der Vorbeigang Gottes an den bezeichneten Häusern der Israeliten in Ägypten, dann hinter Mose am Berg Sinai, und nun der immerwährende Vorbeigang des Auferstandenen, der nicht festzuhalten ist, und auch sein Vorbeigang in den Gleichnissen, die eine fremde Wahrheit sagen in vertrauten Worten: “Nackte Worte, denen ich wegen meines Nichtwissens ausgeliefert bin.” “Er hat sie in einem bestimmten Augenblick in mir, zweifellos auch in vielen anderen abgelegt, und dieses monströse Gedächtnis müssen wir gemeinsam tragen bis zu der Transformation, von der uns nur ein Ende befreien wird” - Oder soll bei dem Gedächtnis nicht viel eher an die Abendmahlsworte gedacht werden, an Christi Testament und Vermächtnis, wo doch erzählt wird, wie “er seine Mahlzeiten mit den anderen einnahm. Er schien nicht viel kränker, vielleicht bedrohter, aber auf eine Art, die ihn nicht selber betraf.”
Jedenfalls deutlich die lebensspendende Wirkung, die von ihm ausgeht: “Er schien in mir Wegmarken aufzurichten: Sätze”, und so “fühlten wir uns wie mit vermehrter Existenz ausgerüstet, um uns selber angereichert, angereichert um das, was wir sein konnten, ja stärker, gefährlicher, böser und ganz in der Nähe eines Traums exzessiver Macht.”
Wenn ich an Gleichnisse gedacht habe, dann wegen des sich still öffnenden geheimen Raumes, der im Laufe des Textes immer stärker hervortritt. “Ich hatte manchmal, während seiner Worte, einen schnellen Wechsel der Sprechebene bemerkt. Was er sagte, wechselte die Richtung, richtete sich nicht mehr an uns, sondern an ihn, an einen anderen als ihn, an einen anderen Raum”. Es könnte auch ein Gebet gewesen sein. Dann das Gefühl, dort unten “gebe es eine Öffnung auf eine andere Gegend hinaus”: “Der Raum war fliehend, schlau, erschrocken. Vielleicht hatte er kein Zentrum, darum desorientierte er mich durch Flucht, durch List, durch Versuchung. Er entzog sich,; er entzog sich unaufhörlich”. Und immer deutlicher tritt ein Zustand hervor: “Die Art von Trunkenheit” “kam von diesem „Wir“, das aus mir strömte”, ein “Gefühl unendlichen Glücks”, wie ein “Berg, der sich schwindelerregend hoch von Universum zu Universum erhebt. Nie ein Halt, keine Grenze, eine immer trunkenere und immer ruhigere Trunkenheit. ‚Wir’“

Wer dieser letzte Mensch ist? Es muß der sein, der das Menschsein insgesamt angenommen hat und ihm damit eine Richtung gibt, einen Sinn, eine Erfüllung. Und die Menschen damit in ungeahnter Weise freisetzt zu einem Glück der unaufhörlichen Bejahung. Und es hat die Einsamkeit des Menschen, die vielleicht immer stärker hervortritt in seiner Verlorenheit, eine Antwort bekommen in einem Wir, einer mythischen Gemeinschaft: darum nämlich ist er der letzte Mensch. Mehr ist nicht zu erwarten.

Montag, 7. April 2008

der letzte mensch

Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.

``Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern'' - so fragt der letzte Mensch und blinzelt.

Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.

``Wir haben das Glück erfunden'' - sagen die letzten Menschen und blinzeln.

Sie haben den Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.

Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!

Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.

Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt dass die Unterhaltung nicht angreife.

Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.

Kein Hirt und Eine Heerde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in's Irrenhaus.

``Ehemals war alle Welt irre'' - sagen die Feinsten und blinzeln.

Man ist klug und weiss Alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald - sonst verdirbt es den Magen.

Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.

``Wir haben das Glück erfunden'' - sagen die letzten Menschen und blinzeln -





Und jetzt das SEMINAR dazu:
Man nehme vom Stoff einiger Online-Texte (oder anderer) und formuliere Kommentare:
www.uni-muenster.de/PeaCon/global-texte/ g-notes/Jaeger-LetzterMensch-Freitag39.htm - 22k
https://www.engeler.de/mensch.html
https://www.rosalux.de/cms/index.php?id=4090
https://www.amorkratie.de/der_letzte_mensch.htm
https://www.feministische-sf.de/einzelne_romane/fsf_verney-der-letzte-mensch.html
Literatur:
Nietzsche, Also sprach Zarathustra
Blanchot, Der letzte Mensch
Orwell, 1984
Clarke, Die letzte Generation
Haushofer, Die Wand
Glavinic, Die Arbeit der Nacht

Ich wollte sicher sein, dass ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin

Gal 2, 2

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