Exodus
Ein kurzer Moment des Entsetzens im Gesicht, kurz den Blick gehoben, die Augen ins Leere gerichtet. Da hat er in den Abgrund geschaut. Gesehen, wie verloren er ist. Allein auf der Welt, ohne Chance.
Wo sind die Briefe jetzt, wie heißt der Anwalt, was stand darin, und schon fällt er wieder zurück in die Gleichgültigkeit und betrachtet seine Finger.
So sind die chinesischen Bauern, sagt die chinesische Dolmetscherin, sie haben nichts gelernt und keine Ahnung von der Zukunft. In der Schlägerei hat er sich Luft gemacht, dann ist er wieder versunken. Nun weiß er nicht, wo das war, als er den Zug verlassen musste und übers Feld gehen und den Kleinbus besteigen. In Wien ist er angekommen, das weiß er, und wann genau. Eineinhalb Jahre wartet er schon, aber was in den Briefen stand, weiß er nicht, obwohl er es ahnt. Negativ.
Die Kleinstadt, aus der die Dolmetscherin stammt, wird von zwei Millionen Chinesen bewohnt. Yan gibt sich keine Mühe. Er ist 25 und hat ein glattes, offenes Gesicht, in dem alles zu lesen ist, obwohl er nichts preisgibt. Er zappelt ungeduldig auf seinem Stuhl und dreht sich zur Tür. Zwischen den Asylwerbern aus aller Herren Ländern ist er unbeteiligt umhergegangen. Aber in kurzen Momenten zeigt sein Blick, dass er nichts in der Hand hat und keine Chance hat und das weiss.
Ihnen sagen, dass sie alle nicht erwünscht sind in Österreich und in Europa, ihre erstaunten, verständnislosen Blicke. Die Marokkaner und Sudanesen, Nigerianer und Palästinenser, Afghanen und Iraner, Georgier, Russen und Tschetschenen. Ein Sikkh aus Indien, und ein Tibeter aus dem indischen Exil. Fast alle wurden weggebracht. Nach Griechenland ins Elend. Nach Italien in die Arme der Mafia. Nach Ungarn oder Polen in die Hilflosigkeit. Keine Bleibe für keinen. Wenn man sie ausgebeutet hat, ausgequetscht auf den Plantagen, wo unsere billigen Zucchini wachsen, dann werden sie als Illegale zurückgeschickt in den Krieg. Sie glauben das nicht. Verständnislos schütteln sie den Kopf. Und wenn ich sie frage, ob sie vor den Behörden von ihrer Verfolgung erzählen konnten, von der Behandlung im Gefängnis, von den zurückgelassenen Frauen und Kindern, und sie den Kopf schütteln, da wird ihnen klar: keiner wollte das wissen. Es interessiert sie nur, auf welchem Weg sie kamen, denn dorthin müssen sie zurück. Und nun dämmert ihnen, was sie für uns sind.
Und dann wenden sie sich ab und sagen: trotzdem versuch ich es. Ich beginne noch einmal
Wo sind die Briefe jetzt, wie heißt der Anwalt, was stand darin, und schon fällt er wieder zurück in die Gleichgültigkeit und betrachtet seine Finger.
So sind die chinesischen Bauern, sagt die chinesische Dolmetscherin, sie haben nichts gelernt und keine Ahnung von der Zukunft. In der Schlägerei hat er sich Luft gemacht, dann ist er wieder versunken. Nun weiß er nicht, wo das war, als er den Zug verlassen musste und übers Feld gehen und den Kleinbus besteigen. In Wien ist er angekommen, das weiß er, und wann genau. Eineinhalb Jahre wartet er schon, aber was in den Briefen stand, weiß er nicht, obwohl er es ahnt. Negativ.
Die Kleinstadt, aus der die Dolmetscherin stammt, wird von zwei Millionen Chinesen bewohnt. Yan gibt sich keine Mühe. Er ist 25 und hat ein glattes, offenes Gesicht, in dem alles zu lesen ist, obwohl er nichts preisgibt. Er zappelt ungeduldig auf seinem Stuhl und dreht sich zur Tür. Zwischen den Asylwerbern aus aller Herren Ländern ist er unbeteiligt umhergegangen. Aber in kurzen Momenten zeigt sein Blick, dass er nichts in der Hand hat und keine Chance hat und das weiss.
Ihnen sagen, dass sie alle nicht erwünscht sind in Österreich und in Europa, ihre erstaunten, verständnislosen Blicke. Die Marokkaner und Sudanesen, Nigerianer und Palästinenser, Afghanen und Iraner, Georgier, Russen und Tschetschenen. Ein Sikkh aus Indien, und ein Tibeter aus dem indischen Exil. Fast alle wurden weggebracht. Nach Griechenland ins Elend. Nach Italien in die Arme der Mafia. Nach Ungarn oder Polen in die Hilflosigkeit. Keine Bleibe für keinen. Wenn man sie ausgebeutet hat, ausgequetscht auf den Plantagen, wo unsere billigen Zucchini wachsen, dann werden sie als Illegale zurückgeschickt in den Krieg. Sie glauben das nicht. Verständnislos schütteln sie den Kopf. Und wenn ich sie frage, ob sie vor den Behörden von ihrer Verfolgung erzählen konnten, von der Behandlung im Gefängnis, von den zurückgelassenen Frauen und Kindern, und sie den Kopf schütteln, da wird ihnen klar: keiner wollte das wissen. Es interessiert sie nur, auf welchem Weg sie kamen, denn dorthin müssen sie zurück. Und nun dämmert ihnen, was sie für uns sind.
Und dann wenden sie sich ab und sagen: trotzdem versuch ich es. Ich beginne noch einmal
weichensteller - 3. Okt, 22:30