Sauber oder rein. Nachrichten von der Schwelle

In einem Jahrhundert, wo die europäische Menschheit die Größe und Pracht der Erde entdeckt hatte – und zugleich unermeßliches Elend in der neuen Welt auslöste; in einem Jahrhundert, wo die Bewegungen der Gestirne auf einmal zugänglich wurde mit neuen Instrumenten, in einem solchen, wo das Denken und Vorstellen des Menschen nun selbst zur Grundlage jeglicher Gewißheit werden sollte, und in demselben Jahrhundert, wo nicht mehr nur zwischen Kaiser und Papst, sondern noch viel tiefer in der Kirche selbst ein Spalt aufzureißen begann, von dem sie sich bis heute noch nicht erholt hat: gerade in dieser vielleicht noch mehr als heute bewegten Zeit ungeahnter Aufbrüche lebte eine Frau in einer Zelle und stellte sich ihrem eigenen Inneren, wie es bis dahin noch niemand gewagt hat.
Eine Burg nennt Teresa die Seele, die mächtig und schön auf dem Berg steht, aus vielen Gemächern, die alle um eine (noch verborgene) Mitte herum gelagert sind, als Raum, der bewohnt, belebt sein will, nach einer noch geheimnisvollen Ordnung, die man von außen nicht versteht. In der Mitte wird der König wohnen, und von seiner Macht bekommt die ganze Burg ihre Schönheit und Bedeutung. Die Seelenburg sei eine Wohnung wie das Paradies, wo Mensch und Gott ungezwungen miteinander wohnen, neben allem, was zum Glück nötig ist, im Überfluß.

Verzagte nennt Teresa solche, die nur von außen auf die Burg schauen wollen, oder Feiglinge, wenn sie keine Neugier und Lust haben, hineinzugehen und ihre Schätze suchen; sich mit den hohen Mauern begnügen wäre soviel wie in einem toten Körper leben oder in einer anderen Äußerlichkeit, wie sie sich dem bloßen Augenschein darbietet. Wem genügt es, wenn er von dem Glück nur ahnt, wie drinnen große Dinge vorgehen zwischen Gott und Mensch, draußen im Burggraben zu hausen zwischen Ungeziefer, oder unter der Brücke? Der Eingang aber, sagt Teresa, ist das Gebet. Und nicht nur ein dahergesagtes, denn ohne Aufmerksamkeit und Achtung, mit wem man redet und worum man bittet, sei kein Gebet.

Ohne Andacht einzutreten wäre, als würde ein Mensch viel Schmutz und Ungeziefer hereinbringen, und wäre dann immerfort von seinen Geschäften gefesselt, in denen seine Gedanken wieder untergehen, ohne die Schönheit der Burg überhaupt zu bemerken. Davon solle man sich frei machen, indem man an das Innere denkt, an die Mitte, in der Gott selbst wohnt wie der König, und uns erwartet mit seinem unermeßlichen Reichtum. Erst der Blick auf dieses Hohe zeige die eigene Niedrigkeit, mit der man sich begnügt habe, die Begegnung mit diesem Großen erst erhebe den Menschen aus seiner Ängstlichkeit, immer darauf zu lauern, was andere über ihn sagten. Von dieser äußeren ersten Wohnung heißt es, es sei die gefährlichste: die meisten Ausreden gäbe es hier, 1000 Vorwände, sich doch mit dem Gewöhnlichen und Geringen abzufinden, - und zwar, weil alle Gedanken und Sorgen mit hereingekommen seien, um Besitz und Ansehen, Leistung und Erfolg, und uns noch immer in Besitz haben. Von Helligkeit und Glanz des Schlosses sei hier noch kaum etwas zu bemerken, und der Eintretende wäre noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um von dem Licht etwas zu sehen, das von Gottes Wohnung in der Mitte ausstrahlt.

Über diese Schwelle zu kommen, brauche eine gewisse Hartnäckigkeit, mahnt Teresa ihre Mitschwestern, ein ehrliches Glaubensleben, das selbstkritisch die Ausreden durchschaut, ein ringendes Gebet, eine liebende Aufmerksamkeit für die anderen und ein starkes Vertrauen in Christus, der uns in unsere eigene Mitte führt. Regelmäßige Eucharistiefeier, gemeinsames Gebet, und Meditieren der heiligen Schrift wären Hilfen, um an der Schwelle zu bestehen, weil durch diese Hilfen Christus uns schon von der Mitte kündete und uns auf die Spur brächte, damit wir uns nicht mehr vertreiben ließen aus seiner Nähe.

Über die Schwelle zu kommen und einzutreten
ruft Teresa in unser neues Aufbruchjahrhundert hinein
uns Ängstlichen, Kleinen, Genügsamen der Seele
dass wir aufmerken und hungrig werden und unruhig
offenesherz - 20. Jan, 16:35

Das Pfeifen des Hirten

Hallo Weichensteller!

Nach langer Zeit habe ich wieder in deine Seiten geschaut und da finde ich deinen schönen Text.

Da der große König, der in der Wohnung dieser Burg weilt, ihren guten Willen bereits gesehen hat, möchte er sie in seinem großen Erbarmen wieder an sich ziehen, und wie ein guter Hirte lässt er sie mit einem so zarten Pfeifen, dass sie es kaum selber merken, seine Stimme hören, damit sie nicht mehr verloren umherirren, sondern in seine Wohnung zurückkehren. Und solche Kraft hat dieses Pfeifen des Hirten, dass sie alle Äußerlichkeiten aufgeben, durch die sie ihm entfremdet waren, und in die Burg gehen. 4M3,2

Alles Gute oh

weichensteller - 20. Jan, 21:58

Danke, offenes Herz!

Man merkt, du kennst sowohl den König wie die Burg!

Liebe Grüße
Weichensteller
SCHLAGLOCH - 28. Feb, 15:42

Hallo Weichensteller! Die eigene Seele

zu betreten, dürfte nicht an den christlichen Glauben gebunden sein.
Gruss schlagloch.

weichensteller - 3. Mär, 13:50

Will heißen?

Ich wollte sicher sein, dass ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin

Gal 2, 2

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