Familien, Wirte und Hirten
Von Tür zu Tür sind wir gegangen und haben angeklopft und angeläutet. Nicht für Geld, nicht wegen Geld, wir haben nichts gebraucht, keinen Dienst, und schon gar kein Quartier. Nur, um uns vorzustellen: Wir kommen von der Pfarre Hlst. Dreifaltigkeit, dort ist unsere Kirche, hier ist der Pfarrbrief, danke, Tür zu, 100 Mal, im Frühjahr und im Herbst. Im Stiegenhaus begrüßen dich Bekannte fröhlich, an der Tür lassen sie dich stehen, ohne zu öffnen. Wie ist das mit dem Öffnen.
In Villach wirst du deswegen so selten eingeladen, weil sie nur eine perfekte Wohnung herzeigen wollen und ein üppiges Essen anbieten, wenn schon denn schon. Der Alltagskram ist nicht zumutbar, wenn das Geschirr in der Abwasch steht, die Kindersachen am Boden liegen und das Katzenklo nicht sauber. Der Mann wird später kommen, ein Anruf steht noch aus, die Kinder haben endlich etwas zu spielen gefunden und sind vor wenigen Minuten im Kinderzimmer verschwunden. Man braucht den knappen Rest seiner Aufmerksamkeit für die Planung des morgigen Tages, die Post, das Einkaufen, das Auto, und was man noch alles vorhatte für heute. Und dann läutet es an der Tür. Was soll das schon wieder. Was denn jetzt noch.
Menschen sind nicht bereit für Begegnung. Mit und ohne Advent führen wir keine offenen Leben. Niemand braucht kommen, den wir nicht eingeladen haben, darum schreiben wir keine Namen und Hausnummern an unsere Häuser und stellen keine Parkplätze für Fremde bereit. Und von denen, die ihre Hungerländer fliehen in Afrika, suchen wir uns die Bestgebildeten heraus, und Tschetschenienflüchtlinge dürfen nur bleiben, wenn sie Morddrohungen nachweisen können oder Folterspuren. Und wenn sie dann da sind, sollen sie schnell Deutsch lernen, unsere Straßen bauen, unsere Büros putzen oder die Autos reparieren, ohne unseren eigenen Kindern die Arbeitsplätze wegzunehmen; und im übrigen sollen sie unsichtbar sein. Das ist unsere Offenheit.
Auf diese Art ist unser ganzes Land zu einer Privatwelt geworden, die von den Lieblingsgerichten der Minister, den Profilierungsneurosen der Kanzler und den Stimmungslagen der Regierungen unterhalten werden. Die Quizmaster sind unsere moralischen Autoritäten, und in der Zeitung steht täglich, worüber man sich aufregt hierzulande, oder worauf man stolz ist, bei winterlichen Sportereignissen. Wie eine Familie, so einfach dieses Land. Wie eine unaufgeräumte Familie, wenn er anklopft, um einzutreten, angekündigt, wenn er um Quartier fragt. Freundlich hört man sich an, was er zu sagen hat, 2 Minuten, danke, auf Wiedersehen. Wenn wir an der Türe stehen.
Wenn wir aber selber zu den Suchenden gehören? Nicht nach Wohnungen, natürlich, wir sind alle untergekommen irgendwie, entweder vorläufig, oder in einer festen Bleibe, und gut geheizt natürlich. Nein, suchend nach etwas anderem: irgendwo erwartet werden. Nicht nur, um jemandem die Zeit zu vertreiben mit Geplauder. Nicht nur, um selbst irgendwie die Stunden zu verbringen zwischen dem Bettgang der Kinder und dem eigenen, und die Wochenenden, wenn alles schon aufgeräumt ist und eingekauft, wenn luftgeschnappt und schigelaufen ist zur Genüge: irgendwo erwartet, bei irgendwem. Jemand, der mich kennt, und dem es um mich geht, um mich selbst, nicht nur um lustige Unterhaltung oder eine Reparatur im Haus, nichteinmal um einen Rat. Um meiner selbst willen erwartet. Für ein Gespräch. Einen Austausch. Was zu sagen ist, und zu fragen.
Wenn wir nun aber selbst solcherart unterwegs wären. Immer noch. Seit Jahren. Und immer weiter gezogen sind, immer wieder aufgebrochen. Und, geben Sie es zu, unterwegs schon öfter das Bedürfnis vergessen haben, seit Jahren schon vergessen: ankommen wollen, erwartet werden, schon seit Kindertagen vergessen, als wäre es jemals beantwortet worden. Und, obwohl das, was man hat, nie genügt, nie wirklich ernst gefragt, nicht weiter gefragt, sondern einfach genommen, was da war, noch mehr vom Gleichen, und damit alles vollgeräumt inzwischen, alles das Gleiche. Wann endlich die wirklich wichtigen Fragen stellen.
Und wenn wir schon keine guten Wirte sind, mit offenen Häusern und Türen, und auch keine guten Reisenden, keine Pilger, die ihre Ziele kennen und hartnäckig auf der Spur bleiben: dann doch wenigstens Hirten: Hirten, diese freiesten aller Freien, auf freiem Feld, in jede Richtung der Horizont offen, einen Tag in diese Richtung, dann wieder dorthin, wo eben Gras wächst, und das ist ja überall, fast überall. Gebunden sind sie nur an die, die mit ihnen ziehen: eine Bindung für unterwegs, mit ein paar schnell zugerufenen Worten erneuert, ein schnelles Einverständnis ohne große Worte. Aber das sind Menschen, die mit sich selbst auskommen. Sie können stundenlang dasitzen ohne eine Beschäftigung. Sie sind in sich selbst daheim, daher ist es nicht so wichtig, wo sich die Herde gerade befindet, und ob man am freien Feld schläft oder in einem Bett, und in welchem.
Von allen sind die Hirten diejenigen, die am meisten in der Gegenwart sind. Ihr ganzes Sein haben sie gesammelt bei sich, da kann jeder kommen, sogar ein Engelsheer, und da kann man jederzeit aufbrechen, und sei es zu einem Stall in der Nähe. Die Suchenden dagegen sind von ihren Fragen umgetrieben, von etwas, das noch vor ihnen liegt und dem sie nachgehen, ohne es zu erreichen. Und die Wirte haben volle Häuser und viel zu verlieren, sie müssen beisammen halten, was sich eingefunden hat bisher, sie machen Türen zu und Grenzen dicht. Nur die Hirten: keine großen Redner, aber Menschen der Tat. Ihnen, den Gewärtigen, hat sich der Himmel geöffnet, und da haben sie den erkannt, der in sein Eigentum gekehrt ist. Bei sich zu Hause, in einem Kinderleben.
Öffnet den Kindern, wenn sie kommen. Es sind Boten, teilt mit ihnen.
In Villach wirst du deswegen so selten eingeladen, weil sie nur eine perfekte Wohnung herzeigen wollen und ein üppiges Essen anbieten, wenn schon denn schon. Der Alltagskram ist nicht zumutbar, wenn das Geschirr in der Abwasch steht, die Kindersachen am Boden liegen und das Katzenklo nicht sauber. Der Mann wird später kommen, ein Anruf steht noch aus, die Kinder haben endlich etwas zu spielen gefunden und sind vor wenigen Minuten im Kinderzimmer verschwunden. Man braucht den knappen Rest seiner Aufmerksamkeit für die Planung des morgigen Tages, die Post, das Einkaufen, das Auto, und was man noch alles vorhatte für heute. Und dann läutet es an der Tür. Was soll das schon wieder. Was denn jetzt noch.
Menschen sind nicht bereit für Begegnung. Mit und ohne Advent führen wir keine offenen Leben. Niemand braucht kommen, den wir nicht eingeladen haben, darum schreiben wir keine Namen und Hausnummern an unsere Häuser und stellen keine Parkplätze für Fremde bereit. Und von denen, die ihre Hungerländer fliehen in Afrika, suchen wir uns die Bestgebildeten heraus, und Tschetschenienflüchtlinge dürfen nur bleiben, wenn sie Morddrohungen nachweisen können oder Folterspuren. Und wenn sie dann da sind, sollen sie schnell Deutsch lernen, unsere Straßen bauen, unsere Büros putzen oder die Autos reparieren, ohne unseren eigenen Kindern die Arbeitsplätze wegzunehmen; und im übrigen sollen sie unsichtbar sein. Das ist unsere Offenheit.
Auf diese Art ist unser ganzes Land zu einer Privatwelt geworden, die von den Lieblingsgerichten der Minister, den Profilierungsneurosen der Kanzler und den Stimmungslagen der Regierungen unterhalten werden. Die Quizmaster sind unsere moralischen Autoritäten, und in der Zeitung steht täglich, worüber man sich aufregt hierzulande, oder worauf man stolz ist, bei winterlichen Sportereignissen. Wie eine Familie, so einfach dieses Land. Wie eine unaufgeräumte Familie, wenn er anklopft, um einzutreten, angekündigt, wenn er um Quartier fragt. Freundlich hört man sich an, was er zu sagen hat, 2 Minuten, danke, auf Wiedersehen. Wenn wir an der Türe stehen.
Wenn wir aber selber zu den Suchenden gehören? Nicht nach Wohnungen, natürlich, wir sind alle untergekommen irgendwie, entweder vorläufig, oder in einer festen Bleibe, und gut geheizt natürlich. Nein, suchend nach etwas anderem: irgendwo erwartet werden. Nicht nur, um jemandem die Zeit zu vertreiben mit Geplauder. Nicht nur, um selbst irgendwie die Stunden zu verbringen zwischen dem Bettgang der Kinder und dem eigenen, und die Wochenenden, wenn alles schon aufgeräumt ist und eingekauft, wenn luftgeschnappt und schigelaufen ist zur Genüge: irgendwo erwartet, bei irgendwem. Jemand, der mich kennt, und dem es um mich geht, um mich selbst, nicht nur um lustige Unterhaltung oder eine Reparatur im Haus, nichteinmal um einen Rat. Um meiner selbst willen erwartet. Für ein Gespräch. Einen Austausch. Was zu sagen ist, und zu fragen.
Wenn wir nun aber selbst solcherart unterwegs wären. Immer noch. Seit Jahren. Und immer weiter gezogen sind, immer wieder aufgebrochen. Und, geben Sie es zu, unterwegs schon öfter das Bedürfnis vergessen haben, seit Jahren schon vergessen: ankommen wollen, erwartet werden, schon seit Kindertagen vergessen, als wäre es jemals beantwortet worden. Und, obwohl das, was man hat, nie genügt, nie wirklich ernst gefragt, nicht weiter gefragt, sondern einfach genommen, was da war, noch mehr vom Gleichen, und damit alles vollgeräumt inzwischen, alles das Gleiche. Wann endlich die wirklich wichtigen Fragen stellen.
Und wenn wir schon keine guten Wirte sind, mit offenen Häusern und Türen, und auch keine guten Reisenden, keine Pilger, die ihre Ziele kennen und hartnäckig auf der Spur bleiben: dann doch wenigstens Hirten: Hirten, diese freiesten aller Freien, auf freiem Feld, in jede Richtung der Horizont offen, einen Tag in diese Richtung, dann wieder dorthin, wo eben Gras wächst, und das ist ja überall, fast überall. Gebunden sind sie nur an die, die mit ihnen ziehen: eine Bindung für unterwegs, mit ein paar schnell zugerufenen Worten erneuert, ein schnelles Einverständnis ohne große Worte. Aber das sind Menschen, die mit sich selbst auskommen. Sie können stundenlang dasitzen ohne eine Beschäftigung. Sie sind in sich selbst daheim, daher ist es nicht so wichtig, wo sich die Herde gerade befindet, und ob man am freien Feld schläft oder in einem Bett, und in welchem.
Von allen sind die Hirten diejenigen, die am meisten in der Gegenwart sind. Ihr ganzes Sein haben sie gesammelt bei sich, da kann jeder kommen, sogar ein Engelsheer, und da kann man jederzeit aufbrechen, und sei es zu einem Stall in der Nähe. Die Suchenden dagegen sind von ihren Fragen umgetrieben, von etwas, das noch vor ihnen liegt und dem sie nachgehen, ohne es zu erreichen. Und die Wirte haben volle Häuser und viel zu verlieren, sie müssen beisammen halten, was sich eingefunden hat bisher, sie machen Türen zu und Grenzen dicht. Nur die Hirten: keine großen Redner, aber Menschen der Tat. Ihnen, den Gewärtigen, hat sich der Himmel geöffnet, und da haben sie den erkannt, der in sein Eigentum gekehrt ist. Bei sich zu Hause, in einem Kinderleben.
Öffnet den Kindern, wenn sie kommen. Es sind Boten, teilt mit ihnen.
weichensteller - 24. Dez, 18:43
VER . STÖRUNG
Läutet es an der Wohnungstür und die Besucher haben sich nicht über die Sprechanlage am Hauseingang angemeldet, kann es verstören. Man weis nicht, was einem erwartet, wenn man die Tür öffnet. Es könnte eine Schlammlawine in die Wohnung hereinbrechen, das Leben verändern, die Stabilität des Lebens gefährden. Wer zur Unruhe aufruft, ruft zur Vernachlässigung von Riten und Ritualen auf. Viele Lebensablaufe sind ohne Rituale nicht vorstellbar. Wir führen ein aufgeräumtes Leben und eine aufgeräumte Wohnung, es könnte sein, dass ein Termin abgesagt wird.
Besuch von wem.
Wo