Donnerstag, 8. November 2012

Der nicht vermisste letzte Mensch. EINE FILMBESPRECHUNG ZU „DIE WAND“

Nun ist endlich dieser epochale Roman der Haushofer verfilmt worden, nach 50 Jahren. Warum so spät?
Vielleicht war das Erzählte einfach zu verstörend. Dass mit einem Mal die Menschheit verschwunden ist und die Frau allein bleibt. Und, noch schlimmer: Dass diesem allerletzten Menschen die Menschheit auch nicht abgeht.
Wenn Martina Gedeck , gleichalt wie das Buch, diese namenlose Frau spielt, dann verkörpert sie diese auf wundersame Weise haargenau so, wie ich sie mir bei der Lektüre vorgestellt habe. Karg, etwas verschlossen, in der früheren Menschenwelt teilnahmslos und abgeschieden, in der späteren Naturwelt aufmerksam und aufgeschlossen. Ein ungeborgener Mensch, der, zunächst im Überlebenskampf, sich doch schließlich einrichtet in der Jagdhütte und im Vegetationsjahr, und sogar eine Idylle erfährt mit Hund und Katz beim Kachelofen, mit der Kuh im Stall.
Anders als jene Endzeitfilme, von „Planet der Affen“ bis „I Am Legend“, wo es stets eine Perspektive gibt, die Menschheit noch zu retten, gibt es in „Die Wand“ kein Bedauern über das Verschwinden der Menschen. Ja, die Frau scheint sogar damit einverstanden zu sein, und als sie den vorletzten Menschen tötet, da gibt es keine Spur von Bedenken. Dieses stillschweigende Einverständnis ist wohl der Grund, warum sie so wenig fragt und forscht nach den Rändern der Wand, nach dem Radius der verbliebenen Welt sowie nach dem Sinn der plötzlichen Abgeschiedenheit. Es genügt ihr.

Das ist das Prophetische an Haushofers Werk, und es wird durch die Verfilmung noch unterstrichen: Dass der Mensch nicht abgeht. Dass man ihn benützen kann, in Hugos Haus wohnen kann, von seinen Vorräten zehren, anderer Herren Haustiere pflegen kann, ohne diesen Unsichtbaren dankbar zu sein. Dass der allerletzte Mensch sich selbst genügt. Im teilnahmslosen kalten Blick auf die beiden zur Fotographie erstarrten Figuren außerhalb der Wand ist das zu sehen. Und im dumpfen Ton der unsichtbaren Wand ist es zu hören. Hören ist wichtiger geworden als Sehen: die Stimmen der Natur füllen nun den Kosmos, weil die menschliche Sprache verstummt, kein Gespräch mehr stattfindet, nur mehr die Rekapitulation des Gewesenen für einen unbekannten Adressaten. Möglicherweise war der erste Mensch ein Mann – aber der letzte ist eine Frau.

Ich wollte sicher sein, dass ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin

Gal 2, 2

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